Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
stöhnte Mitja auf. »Um Gottes willen! Schon wieder fangt Ihr an, um Verzeihung zu bitten! Erzählt doch erst mal, was geschehen ist.«
    »Gut, es soll nicht wieder Vorkommen«, versuchte Vondorin ihn zu beruhigen und erzählte zusammenhängend weiter, ohne sich zu unterbrechen.
    »Die prächtige Nacht trug unser Gefährt auf ihren Rappen und breitete ihren schützenden dunklen Mantel flatternd in der Luft aus; die ganze Erde war in Schlaf versunken. Da unterbrach auf einmal einer meiner Weggenossen meine Gedanken und sagte: › Euer Wohlgeboren, da sieht man Lichter. Das muss eine Poststation sein. Wir sollten die Pferde ein wenig ausruhen lassen, und Fjodor und ich, wir sollten uns ein wenig aufwärmen. Und wenn Ihr uns etwas einschenken ließet, dann wären wir ausnehmend zufrieden mit Euch und würden vor der Obrigkeit für Euch eintreten. Warum wollt Ihr Euch so beeilen? Um ins Gefängnis zu kommen, ist es nie zu spät. ‹ – › Ach, mein Freunds antwortete ich ihm, › ich brauche keinen Fürsprecher, ich bin bereit, die verdiente Strafe auf mich zu nehmen. Aber wenn ihr durchgefroren seid, dann lasst uns einkehren. ‹
    Das war wirklich die Poststation von Lepeschkino, ein einsames Eiland wacher Wesen inmitten dieser weiten Schlummerebene. Im Gemeinschaftssaal saßen Kutscher und Reisende einfachen Standes, sie tranken heißen Tee, manche auch Wodka. Ich ließ für meine Bewacher Fjodor und Semjon eine Flasche kommen, erst eine, dann eine zweite.
    Sie tranken und redeten. Ich indes achtete nicht auf das, was sie sagten, seufzte nur die ganze Zeit, wie ich zugeben muss, und wischte mir mehr als einmal eine bittere Träne von den Wimpern.
    Auf einmal sagte Semjon lauter als vorher: › Guck mal, Fjodor. Siehst du den Mann, der da in der Ecke sitzt, den Dunklen? Er trinkt nur Tee Und schielt neidisch nach unserer Flasche. Das ist doch Dron Rykalow, der unter Nikolaj Petrowitsch Archarow bei uns Platzsergeant war. Keiner hat besser als er die Knute geschwungen. Dafür wurde er auch befördert. Es heißt, er hat jetzt eine Anstellung in Petersburg und zwar in der Geheimexpedition, ja, stell dir vor, so weit hat er es gebracht.« Ich zuckte zusammen und dachte an Maslow. Aha, dachte ich mir, dieser Meister der Knute, der wird doch bestimmt mit diesem Schuft zusammen hierher gekommen sein. › Ruf deinen Bekannten her. Er soll sich zu uns setzen. Ich bestelle noch eine Flasche. ‹ Ich weiß selber nicht, was mich dazu bewogen hat, wahrscheinlich der Wunsch, mich von den bitteren Herzensangelegenheiten abzulenken.
    Da kommt also dieser Dron an unseren Tisch und setzt sich zu uns. Semjon hat ihm nicht gesagt, dass ich ein Häftling bin, er hat mich als Arzt vorgestellt und hinzugefügt, der ist in Ordnung. Ich hatte wie auch jetzt einen Polizeimantel an, so dass Rykalow keinen Verdacht schöpfte.
    Sie luden ihn ein, mit ihnen zu trinken, er zierte sich erst ein bisschen mit der Begründung, er sei im Dienst, gab seinen Widerstand aber schnell auf. Er leerte ein zweites, ein viertes, ein sechstes Gläschen. Semjon und Fjodor wurden müde, ihnen sank der Kopf auf den Tisch. Ich trank nicht, sondern tat nur so.
    So nach dem zehnten Gläschen brüstete sich Rykalow, er sei mit einem hohen Tier hierher gekommen, aber mit wem genau und zu welchem Behuf, das sage er nicht, das gehe mich nichts an; dieser Mann sei jedoch ein höchst wichtiger General und Grund für große Geheimhaltung. Er selber, Dron Sawwitsch, sei ja auch nicht gerade irgendwer, er stehe auf der Karriereleiter ziemlich weit oben, kein Vergleich mit seiner früheren Moskauer Position. Er habe vier Untergebene auf dem Heuboden, alle beritten. Laut Befehl müsste Rykalow eigentlich auch da sein, wo sie sind, er habe hier nur ein wenig Tee trinken und sich aufwärmen wollen.
    Ich goss ihm Wodka nach und sagte: › Was für eine geheime Aktion kann es denn hier in dieser ländlichen Gegend geben? Da hat Euch der General einen Bären aufgebunden. Seine Reise hat bestimmt einen privaten Grund, er sagt Euch nicht die ganze Wahrheit, das ist doch klar. ‹
    Da haute er mit der Faust auf den Tisch und polterte los: › Mir sagt Exzellenz immer die ganze Wahrheit! Denn Rykalow ist dero treuester Diener. ‹ Ich antwortete ihm nicht, sondern presste nur die Lippen zusammen, als wolle ich sagen: Na ja, du kannst mir viel erzählen. So ein Misstrauen ist für einen Prahlhans, der getrunken hat, schlimmer als ein Stich ins Herz.
    Und Rykalow fiel prompt darauf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher