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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste
Autoren: Horus W. Odenthal
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aufgerufen sich ihnen anzuschließen. Er hatte vorgeschlagen, wenn sich zeigen sollte, dass ein Zusammenleben mit denen ihres Volkes, die weiter ihre Aszension betrieben, nicht möglich sein sollte, auszuziehen und die alten leerstehenden Festen der Ninraé wieder in Besitz zu nehmen und dort neue Gemeinschaften zu errichten.
    Nach allem, was man aus den Prägeschleiern hörte, schlug das, was in Himmelsriff geschehen war, in allen anderen Ninraé-Gemeinschaften dort draußen heftige Kreise. Etwas war unaufhaltsam in Bewegung geraten. Es glich einer Wende, ja geradezu einer Revolution.  
    Eine Delegation aus Vharun-dan-Mhe‘e hatten um ein Gespräch gebeten. Später am Tag wollte er mit Auric, Bruc, Siganche und Cedrach in eine Konklavsphäre mit ihnen gehen.
    Er seufzte, erhob sich, stieg auf die Stufe, auf der er gesessen hatte, und blickte über die den Hof begrenzende Mauer in die Weite. Vor ihm lagen die letzten vorspringenden Türme von Himmelsriff schroff und ehrfurchtsgebietend in der Morgensonne. Zur anderen Seite hin erstreckte sich jenseits des Abgrunds die Plateauklippe scheinbar endlos weit in die Ferne zum Horizont hin, eine schroffe Wand zwischen den Ebenen des Irrlichtlandes und den Drachenrücken – und dem, was dahinter vor sich gehen mochte.
    Der Wind blies vom Meer her, über die Ebenen hinweg. Er hatte in den vergangenen Tagen nun endlich den letzten Rest vom Geruch der Scheiterhaufen zerstreut.
    Er blickte hinaus in die Leere zwischen Türmen, Klippe und Ebene.
    Die Menschen, die Adamainraé, sie hatten immer gesagt, die Ninraé lebten im Angesicht Inaims, weil sie die feineren Reiche tagtäglich sehen konnten. Weil sie schließlich auch mit Hilfe von Patenwesen ins Geisterreich schauen konnten. Weil sie mehr wahrnahmen als kalte Materie, weil sie über diese kalte Materie hinaus sehen und das erkennen konnten, was jenseits davon war. Weil sie in der Gewissheit lebten, dass etwas jenseits davon war.  
    Die Adamainraé hatten sie, wie sie in den Schriften sagten, um diese Sicherheit immer beneidet.
    Aber war das tatsächlich Inaim, den sie dort sahen? Oder war das alles nur ein anderes blindes, fühlloses Wüten.
    Egal, was wir sehen, egal wie viel wir sehen , dachte Darachel, jeder muss sich schließlich diese eine Frage stellen.  
    Die Menschen lebten in einer Illusion, wenn sie glaubten, die Ninraé könnten dem entgehen.
    Die Ninraé hatten eine zeitlang selbst in dieser Illusion gelebt. Sie hatten geglaubt, im Angesicht Inaims zu leben, und es gäbe nur eine Wahrheit, nur einen Weg. Sie müssten ihn nur aufrecht und mit Eifer gehen. Aber jetzt war dieser Schleier brutal von ihren Augen fortgerissen worden, und jetzt mussten auch sie sich entscheiden.
    „Hallo, schon genug vom Training?“
    Auric hatte seinen Waffengang beendet und kam zu ihm herüber.
    Auric sah seinen Ninraéfreund mit versonnenem Gesicht an der Brüstung stehen. Er sah, wie er sich zu ihm umwandte und die Stufe herabstieg.
    „Oder bist du schon beim theoretischen Teil angelangt?“
    Darachel lachte ihn an. „Das wäre wahrscheinlich angeraten. Es liegt eine Menge Arbeit vor uns.“
    Da hatte er unbestreitbar Recht. Nachdem ihnen nun der vollständige Text der ninraidischen Fechtschule vorlag, öffnete sich ihnen ein vollständig neues Feld, das es zu sondieren und einzubeziehen galt.
    „Weisst du was, wir sollten Béal hinzunehmen“, sagte er. „Er ist gut und zeigt am meisten Tendenzen, Anteile des ninraidischen Fechtstils einzubeziehen und mit anderen Techniken zu verschmelzen. Er könnte uns helfen bei unserer gemeinsamen Übungsstunden, das, was wir in euren Texten zur Schwertkunst finden, mit den anderen in der Praxis auszuprobieren und zu bewerten.“
    „Eine gute Idee. Fragen wir ihn später.“
    Sie standen auf der Brüstung und blickten gemeinsam in die Ferne.
    „Was ist mit den Apokryphen?“, fragte er schließlich.
    „Die letzten wurden heute morgen freigegeben. Die Enthravanen haben es beschlossen.“
    „Dann ist der Zugang zu der geheimen Kammer geöffnet und die Fallen sind entfernt?“
    „Allerdings.“
    „Was geschieht dann mit Cenn-Vekanen und den anderen des Zirkels? Schließlich haben sie mit diesen Fallen bewusst das Leben von Ninraé aufs Spiel gesetzt. Man könnte das als Mordversuch werten.“
    Er sah Darachel sich ihm zuwenden. Der Wind zerzauste ihm die Haare und ein Grinsen lag auf seinen Lippen.
    „Enthravanenpolitik“, erwiderte Darachel. „Weisst du was, es interessiert
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