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Der Falke des Lichts

Der Falke des Lichts

Titel: Der Falke des Lichts
Autoren: Gillian Bradshaw
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was mein Vater wohl von mir wollte.
    Wir ließen unsere Pferde im Stall zurück und eilten hinüber zum Gemach meines Vaters hinter der Festhalle. Das Zimmer war klein und einfach, und staubiges Sonnenlicht filterte durch das Loch herein, das zwischen Dach und Mauer für den Rauch gelassen war. Mein Vater wartete offenbar schon eine Weile. Der Bote mußte das Zimmer schon vor geraumer Zeit verlassen haben, und die Luft hatte die stille Spannung eines unterbrochenen Gespräches. Meine Mutter saß auf dem Bett und studierte eine Landkarte. Ein Becher mit Wein aus einem Land im Süden stand auf dem Lampentisch neben ihr. Noch ein Becher - Lots Becher - lag daneben auf der Seite. Als wir eintraten, hörte mein Vater auf im Raum hin- und herzugehen und schaute uns an. Meine Mutter blickte auf, konzentrierte sich dann wieder auf ihre Karte. Die Luft zitterte vor Erwartung: Mein Vater war zornig.
    Er war kein großer Mann, aber er war unmißverständlich der König. Er strahlte Arroganz und Befehlsgewalt aus. Sein dichtes blondes Haar und sein Bart standen ihm vom Kopf ab, als ob die Energie seines mageren Körpers sie dazu zwänge. Seine blauen Augen konnten jeden verbrennen, der ihm widersprach. Meine Vorfahren kommen aus Ulster, und man sagt, daß Lugh von der langen Hand, der Sonnengott, viele Söhne in der Ahnenreihe meines Vaters hatte. Alle, die längere Zeit mit Lot sprachen, waren anschließend mindestens halbwegs überzeugt davon. Mein Vater übersah Agravain und starrte mich an. »Wo warst du in den letzten beiden Stunden?«
    Als ich mühsam nach Worten suchte, antwortete Agravain: »Er war unten am Meer; er hat Austern gesammelt oder so etwas. Ich habe ihn einen guten Stundenritt von hier gefunden.«
    Lot starrte mich noch wilder an. »Warum bist du nicht hiergeblieben und hast Speerwerfen geübt? Du könntest Übung wirklich brauchen.«
    Wie das in Gegenwart meines Vaters immer geschah, so waren mir auch jetzt all meine Worte in der Kehle vertrocknet, und ich blickte unglücklich auf den Fußboden.
    Lot schnaubte: »Aus dir wird nie ein Krieger, aber du könntest wenigstens versuchen, genug zu lernen, daß du deinen Clan nicht entehrst.«
    Ich fand noch immer nichts zu sagen, und ich konnte auch seinem Blick nicht begegnen. Er ballte wütend die Fäuste. Dann zuckte er müde die Achseln, drehte sich um und begann, wieder im Zimmer umherzugehen. »Genug davon. Kann einer von euch erraten, warum ich euch gerufen habe?«
    »Du hast eine Botschaft aus Britannien bekommen«, antwortete Agravain schnell und eifrig. »Was ist dort geschehen? Haben die Sachsen jemanden besiegt, und wollen die Könige jetzt deine Hilfe?«
    Meine Mutter Morgas blickte von ihrer Landkarte auf und lächelte, und ihr Blick ruhte einen Augenblick auf mir. Mein Herz tat einen Sprung. »Hast du nichts zu sagen, Gawain?« Ihre Stimme war tief, weich und wunderschön. Auch sie selbst war schön: hochgewachsen, dunkel, wo Lot blond war, und ihre Augen waren schwärzer als die See um Mitternacht. Jedem, der sie nur anschaute, raubte sie den Atem, und sie zog Blicke auf sich, wie ein Strudel das Wasser anzieht. Sie war die legitime Tochter König Uthers, des Königs über die Könige. Und man hatte sie Lot zur Ehe gegeben, als sie dreizehn war. Sie war das Siegel desselben Paktes gewesen, gegen den sie seit damals dauernd gearbeitet hatte. Sie haßte ihren Vater Uther von ganzer Seele. Und ich betete sie an.
    Lot hielt inne, sah zu ihr hinüber und bemerkte, daß sie sich beim Anblick der Landkarte für irgend etwas entschieden hatte. Er nickte in sich hinein und schaute dann wieder mich an.
    »Es ist... es ist ein wichtiger König gestorben, nicht wahr?« fragte ich, während ich meinen Mut in beide Hände nahm. »Ist es Vortipor?«
    Mein Vater warf mir einen überraschten Blick zu. Dann lächelte er. »In der Tat. Es ist ein König tot. Aber nicht Vortipor von Dyfed.« Mein Vater Lot ging zum Bett hinüber, stellte sich hin und schaute die Karte an. Er fuhr mit seinem Finger über Dyfed und folgte dann der
    Linie des Saefern-Flusses hinauf durch Powys. Dann zog sein Finger die Linie der Küste von Elmet und Ebrauc bis nach Rheged hinauf und fuhr wieder hinunter, die Ostgrenze von Britannien entlang. Morgas’ Augen glühten von einem tiefen, dunklen Feuer, voller Triumph und stiller Freude. Da wußte ich, wer gestorben war und was meine Eltern planten. Es gab nur einen einzigen König, dessen Tod meiner Mutter solche Freude bringen
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