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Der Falke des Lichts

Der Falke des Lichts

Titel: Der Falke des Lichts
Autoren: Gillian Bradshaw
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gehört. Einen ohne Ehre.«
    Ich biß mir auf die Lippen, um das wütende Gebrüll zurückzubeißen, das mir in der Kehle aufstieg. Meine Ehre machte mir schon etwas aus, aber ich sah sie nicht so, wie andere sie betrachteten. Vielleicht, dachte ich, ist es nicht das gleiche.
    »Bleib also hier in Dun Fionn«, meinte Lot. »Geh und spiel deine Harfe und reite deine Pferde. Und jetzt verschwinde.«
    Ich drehte mich um und wollte gehen, aber gerade, als ich die Tür erreicht hatte, spürte ich den Blick meiner Mutter auf mir und schaute zurück. Ich begriff plötzlich, daß sie mich beobachtet hatte, seit ich angefangen hatte, von meinen Träumen zu sprechen. Ihre Augen waren dunkler als die Nacht und schöner als die Sterne. Als sie meinem Blick begegnete, lächelte sie, ein langsames, geheimes, wundervolles Lächeln, das mir allein gehörte.
    Als ich den Raum verließ, wurde meine elende Stimmung wieder besser. Ich spürte, wie der Blick meiner Mutter mir nach draußen folgte. Und obwohl ich sie anbetete, obwohl ich ihr Lächeln und den Zorn meines Vaters gegeneinander aufwiegen und zufrieden sein konnte, fragte ich mich noch einmal, wie ihr Vater Uther wohl gestorben war, und ein unruhiges Gefühl blieb.
     

2
    Mein Vater ließ den Ruf an alle Könige der Orkneys ergehen. Er ließ ihnen sagen, sie sollten ihre Heere sammeln - Männer, Schiffe und Vorräte - und nach Dun Fionn kommen. Langsam zogen sie herbei, hochgewachsene Männer in buntgefärbten Umhängen, Krieger, glitzernd vor Schmuck, mit ihren scharfen Wurfspeeren, deren lange Spitzen glänzten. Die kurzen Wurfspeere trugen sie in Köchern, und die Schwerter blitzten an den Schwertgehängen. Sie hatten die gekalkten Schilde, die oft in leuchtenden Farben bemalt oder lackiert waren, über die Schulter geworfen. Die Könige und die besten Krieger trugen Kettenhemden, die aus Nordbritannien oder Gallien importiert waren und wie Fischschuppen glänzten. Mindere Männer trugen Lederwämser, die mit Metall benäht waren. Die Krieger brachten ihre Kampfhunde mit, große graue Bestien, deren Halsbänder von Silber leuchteten, und Falken saßen auf den Schultern der Könige, plusterten ihre scharfkantigen Federn auf und starrten mit strahlenden Augen um sich. Sie alle kamen und lagerten um Dun Fionn - von jeder Insel, die meinem Vater Untertan war, und weitere von den Pikten und aus Dalriada im Süden wie auch die Männer unseres eigenen Stammes. Alles zusammen waren mehr als tausend Krieger gekommen und etwa dreitausend andere Männer. Wenn man von Dun Fionn nach Südosten ging, konnte man ihre Schiffe sehen, Reihe über Reihe große, zwanzigrudrige Karacken, deren Segel an die Masten gerefft waren. Auf diesen Schiffen herrschte ein dauerndes Kommen und Gehen; man ging, um Proviant einzuladen oder Botschaften von Dun Fionn an unsere Verbündeten in Gododdin auszusenden, und man kam mit dem Proviant und mit Nachrichten und mit noch mehr Männern. Um und in Dun Fionn selbst herrschte ein gewaltiges Durcheinander, während mein Vater organisierte und plante und vorbereitete. Meine Mutter war immer an seiner Seite. Er mußte nicht nur diesen riesigen Kriegshaufen mit Nahrung versorgen, sondern auch dauernd Streit zwischen den verschiedenen Unterkönigen schlichten, Blutfehden zwischen rivalisierenden Clans verhindern und Einzelheiten des Vertrages mit Gwlgawd, dem König von Gododdin, ausmachen. Ich sah meinen Vater selten und auch Morgas nicht oft.
    Ich hielt mich immer am Rand und schaute zu und wunderte mich. Es war das erstemal, daß ich sah, wie mein Vater seine Macht ausübte, und die gewaltige Streitmacht vor meinen Augen erstaunte mich. Jetzt begriff ich, daß man so viele Männer ohne einen Krieg nicht lange an einem Ort ernähren konnte. Die Kosten waren gewaltig. Aber die hellen Farben, der Glanz, das Glitzern der Waffen, die laute, lachende Zuversicht der Krieger und ihre herzliche Kameradschaft - das alles beeindruckte mich ungeheuer und füllte mich mit einer vagen Sehnsucht, die ich, so gut ich konnte, unterdrückte. Ich war kein Krieger, den ein großer Herr sich in seinem Heer wünschen konnte. Und dennoch, und dennoch, und dennoch.
    Es war wundervoll. Manchmal wünschte ich mir wild, wie jeder andere Junge auf der Insel, daß ich mitdurfte, um Ehre und Ruhm für mich selbst, meinen Clan und meinen Herrn zu erstreiten.
    Agravain hatte überhaupt keine Zweifel, daß er sich im Krieg gut schlagen würde. Er empfing seine Waffen mit den anderen
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