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Der Facebook-Killer

Der Facebook-Killer

Titel: Der Facebook-Killer
Autoren: Oliver Hoffmann , Thommy Mardo
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was er all diesen Frauen – und auch den Männern, die er mit Ausnahme Delors’ nach wie vor als „Kollateralschäden“ bezeichnete – angetan hatte, doch er bereute nichts. In seinen Augen war er nun einmal derjenige, den Gott ausersehen hatte, sein blutiges Handwerk zu tun, sein Strafgericht zu bringen. „Einer muss es ja machen“, hatte er mit halb bedauerndem Achselzucken am Ende eines ihrer vielen, endlosen Verhöre gesagt.
    Der grimme Schnitter, dessen Messer, Schwerter, Baseballschläger, Steine und Fäuste die Spreu vom Weizen trennten. Das war er in seinen eigenen Augen. Ein wahres Fest natürlich für jeden aufrechten Vertreter ihrer Zunft. Die Wölfin schüttelte angewidert, aber auch mit einem Quäntchen widerwilliger Faszination für diese unkartierte, kaum auszulotende Innenwelt den Kopf.
    Als der Richter sein Urteil weiter verlas, riss es Geza Wolf in die Wirklichkeit zurück.
    „Heute ist sicherlich einer der Tage“, sagte der Mann in der schwarzen Robe gerade mit sehr, sehr müdem Unterton in der Stimme, „an denen es für viele Beteiligte an diesem Verfahren …“, sein Blick schweifte über den voll besetzten Saal, „… leichter wäre, wenn Frankreich 1981 die Todesstrafe nicht endgültig abgeschafft hätte. Unter den gegebenen Umständen hat sich das Gericht entschlossen, den Aussagen des Gutachters Pignole und letztlich dem Plädoyer der Verteidigung zu folgen. Das Gericht konstatiert Unzurechnungsfähigkeit aufgrund massiver Psychosen zu allen Tatzeitpunkten.
    Im Namen des Volkes und der Republik Frankreich ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte Kristof Manet wird in allen Anklagepunkten für schuldig befunden. Aufgrund seiner Unzurechnungsfähigkeit wird eine lebenslange Sicherheitsverwahrung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses angeordnet. Die Sitzung ist geschlossen.“
    Die Türen öffneten sich, und Menschen drängten heraus und herein. Manet lächelte still. Sein Verteidiger erhob sich und drückte ihm die Hand; der Facebook-Killer nickte unmerklich.
    In seinem Kopf aber lachte er schallend.
    Es war wieder wie damals, nach ihrem eigenen Prozess wegen DER SACHE. Innerhalb weniger Augenblicke war Geza vollkommen kopfscheu. In dem allgemeinen Geschiebe und Gedränge wurde Geza gegen Mafro gepresst, der wie ein Fels in der Brandung stand und sie stützte. Beharrlich, aber zugleich fürsorglich schoben er und Bavarois die Wölfin durch das Meer aus Menschenleibern, erst auf den Korridor hinaus, dann die schwere Steintreppe hinab. Die beiden so ungleichen Polizisten schirmten sie ab gegen das Blitzlichtgewitter, gegen die heranbrandenden Reporter, ihre zudringlichen Fragen, gegen die Mikrofone, die ihr und ihren beiden Begleitern von überallher unter die Nasen gehalten wurden.
    In dem steinernen, verhallten Treppenhaus summte und brummte es wie in einem Bienenstock, in den man zuerst ein glimmendes Holzscheit gestoßen und dann ein Mikrofon gehängt hatte. Unentzifferbares Stimmengewirr. Menschen … so viele Menschen … und alle redeten, riefen, schrien durcheinander …
    Gar nicht weit entfernt, dort, wo die Schreie der Empörung und des Hasses am lautesten waren, bildeten Kris Manet, der Facebook-Killer, und sein vor Zufriedenheit beinahe platzender Anwalt Didier Ollivar flankiert von zwei uniformierten Polizisten einen ganz ähnlichen Keil, der sich die Treppe hinunter durchs Gedränge der Menschen zum Ausgang des Gerichtsgebäudes schob.
    Als die Wölfin einmal kurz den Kopf hob, über den sie ansonsten schützend ihre Clutch hielt, konnte sie einen Blick auf ihn erhaschen. Auf den Mann, auf das Monster, das in den letzten Monaten ihr Leben bestimmt, das sie rund um die Uhr gehetzt hatte, mit dem in ihrem Kopf sie zu Bett gegangen und aufgestanden war.
    Auf den Mann, der unter anderem ihre beste Freundin auf bestialische Art und Weise getötet hatte.
    Manet trug einen dieser orangefarbenen Overalls, von denen die Wölfin gedacht hatte, es gäbe sie nur in amerikanischen Fernsehserien. Die Beine waren etwas zu kurz, so dass sie seine weißen Baumwollsocken sehen konnte. Die Füße steckten in weichen Stoffslippern. Manet war an Händen und Füßen mit Ketten gefesselt, so dass er nur ganz kleine Trippelschritte machen konnte. Den Kopf, den er sich in der U-Haft rasiert hatte, so dass jetzt nur ein paar Millimeter Behaarung darauf sprossen, hielt er gesenkt. Auf groteske Weise erinnerte er Geza an einen mittelalterlichen Mönch auf einer
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