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Der Facebook-Killer

Der Facebook-Killer

Titel: Der Facebook-Killer
Autoren: Oliver Hoffmann , Thommy Mardo
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dem schwarzen Hünen abgebrochen zu haben, kurz bevor er zur Entführung von dessen Lebensgefährtin schritt, und nach ihrer Ermordung nie wieder etwas von Abou gehört zu haben.
    Der Pariser Promianwalt Didier Ollivar übernahm Manets Verteidigung. Besser hätte er wahrscheinlich anwaltlich nicht vertreten sein können. Der mit allen Wassern gewaschene Jurist, der schon sehr viele aufsehenerregende Rechtsstreite für die Schönen und Reichen der Grande Nation durchgefochten hatte, riet Manet nach ihrem ersten Gespräch, auf Schuldunfähigkeit zu plädieren.
    Der Prozess dauerte drei Monate. Am Tag der Urteilsverkündung, dem 2. Juli, herrschte rings um das Gerichtsgebäude der Ausnahmezustand. Zahllose Schaulustige, vor allem aber auch Medienvertreter aus aller Herren Länder, umlagerten das Gebäude; an ein Durchkommen war nicht zu denken.
    „Die Medienheinis schweben heute wieder mal auf Wolke Sieben“, brummte Bavarois, als er sich mit Mafro durch die lärmende Menschenmenge in den Gerichtssaal drängte. Sie hatten es eben noch rechtzeitig geschafft – der Vorsitzende Richter erhob sich gerade. Geza, die im Gegensatz zu ihnen jeden einzelnen Prozesstag von der ersten bis zur letzten Minute begleitet und jedes Wort in sich aufgesogen hatte – denn Manet war wie Müller, nur tausendfach schlimmer, sie musste ihn fallen sehen –, hatte ihnen einen Platz dicht bei der zweiflügeligen hölzernen Eingangstür des Gerichtssaales freigehalten.
    „Erheben Sie sich.“
    Rauschen im Saal, als zweihundertvierzig Menschen mehr oder weniger zeitgleich der Aufforderung Folge leisteten. Im Meer der Köpfe machte die Wölfin das Gesicht Franck Fanons aus, des GIGN-Beamten, der einige Tage zuvor ebenso im Zeugenstand gesessen hatte wie Patricia Kaplan, das noch immer schwer traumatisierte, einzige überlebende Opfer des Facebook-Killers. Zoë Ionesco, die durch die lange Zeit der Entführung zusätzlich zur Traumatisierung schwere körperliche Schäden davongetragen hatte, konnte am Prozess nicht teilnehmen, sie war am Krankenbett vernommen und ihre Zeugenaussage vor Gericht verlesen worden.
    „Wir kommen nun zur Urteilsverkündung im Prozess gegen Kristof Manet wegen zehnfachen Mordes und versuchten Mordes sowie Freiheitsberaubung in besonders schwerem Fall“, sagte der Vorsitzende Richter. „Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte in allen Fällen die Taten begangen hat. Wir haben die Gutachten vor Dr. Dr. Eude und Frau Dr. Wolf, aber auch das Gegengutachten der Verteidigung, vorgetragen durch Dr. Emile Pignole, gehört.“ Er machte eine Pause und räusperte sich.
    „Dieses Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte Jerome Delors, Marie-Ange Manet, Nadine Weill, Kylian Brousse, Manon de Kock, Léa Gerzon, Michelle Tourrende, Nicolas de Ségur, Marcel Rabelais und Dr. Danielle Kahn getötet hat. Dass er Zoë Ionesco entführt und gefangen gehalten und sie gezwungen hat, die Ermordung Dr. Danielle Kahns und die Folterung Patricia Kaplans mit anzusehen.“
    Manet, der sich als Einziger nicht erhoben hatte, lehnte sich zurück, begann mit seinen langen Fingern den Takt zu einer Melodie zu klopfen, die nur er hören konnte und summte leise vor sich hin.
    „Angeklagter, würden Sie mir bitte wenigstens zuhören, wenn Sie sich schon entschlossen haben, die Würde dieses Gerichts zu missachten?“, fragte der Richter genervt.
    Der Klang von Manets Stimme war volltönend und doch gedehnt, als er sagte: „Oh! Oh, ja natürlich. Es – es tut mir leid. Ich bin ab jetzt ganz Ohr.“ Er rappelte sich sogar auf. Aber sein Blick irrte schon wieder zur Decke – er würde nicht zuhören, war in seine Welten abgetaucht.
    „Gott weiß, was er sieht“, dachte Geza. Mit Schaudern erinnerte sie sich an das Vokabular, in das Manet verfallen war, wenn sie ihn zu lange verhört hatten. Seine innere Welt war bevölkert von Fabelwesen und Ungeheuern – da wurden Menschen, die er als bedrohlich empfand, zu Riesen und menschenfressenden Ogern, die GIGN-Beamten, die ihn festgenommen hatten, zu schwarzen Rittern, Frauen waren grundsätzlich Evasschlangen mit geifernden Giftzungen und Mündern wie vitrioltriefende, gezahnte Vulven – und er selbst natürlich der Racheengel des HERRN, der mit loderndem Flammenschwert über all dem Unrat und moralischen Verfall schwebte, um Vergeltung zu üben, das Werkzeug der Gerechtigkeit. Manet war sich all seiner Taten bewusst und leugnete sie auch keineswegs. Er wusste genau,
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