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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie
Autoren: Georg Brun
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Unrat im Wasser, während zwischen den Brückenjochen die Strömung an Kraft gewann und Holz und Laub dem Meer zutrieb; das Wasser brodelte und dampfte regelrecht an manchen Stellen; ein modriger Geruch ging von ihm aus, der Jakob auf andere Gedanken brachte – oder besser: Er verlor seine Gedanken, denn sein Kopf wurde leerer, je länger er dem Spiel der Wellen zuschaute.
    Endlich, nach einer Viertelstunde, verschwand das Bild der toten Frau vor seinen Augen, und er dachte wieder an sein gestriges Gespräch mit Trippa und dessen Ersuchen, er solle heimlich ermitteln und sozusagen mittun bei den Hurereien der Lüstlinge, um die Verbrechen aufzudecken. Nüchtern betrachtet war das eine erfolgversprechende Überlegung, für die man Trippa nicht tadeln konnte; zwar fühlte sich Jakob ungeeignet, diesen Weg zu gehen, aber bis erste Erkenntnisse gewonnen waren, sollte er sich überwinden können. Die Wahrheit erforderte schließlich einen hohen Einsatz, außerdem war es in Rom gefährlich, sich offen zur Moral zu bekennen.
    Wenige Wochen erst lag der abscheuliche Totschlag am ›Narren Christi‹ zurück, jenem verwirrten Eiferer, der von Siena nach Rom gezogen war, um die Hochmütigen vor Tod und Verderbnis zu warnen, denn der Teufel werde über die Lasterhaften kommen und ihnen die Haut über die Ohren ziehen. Bildhaft und drastisch war die Sprache des Narren; der Bocksbeinige werde die geilen Männer an ihren Eiern aufhängen, den Geiern zum Fraße vorwerfen und die wollüstigen Weiber an den Beinen zwischen zwei Ochsenkarren spannen. Was für ein Aufschrei der Entrüstung hatte durch die Kurie gehallt, als der geifernde Mahner dem Papst und den Purpurträgern im Vatikan mit Knochen und Eingeweiden gefüllte Hanfsäckchen geschickt hatte. Von mancher Kanzel war fortan gegen den Unflätigen gepredigt worden, und als dessen Reden immer drängender wurden und seine Verwünschungen in eine wüste Gossensprache ausarteten, fingen die Kleriker das an, was man in Bayern ›Haberfeldtreiben‹ genannt hätte. Mancher Priester, der nur zu genau wußte, daß er mit seiner Liederlichkeit Zielscheibe der Anprangerung war, hetzte den Pöbel gegen den selbsternannten Propheten auf, und es mußte nicht Wunder nehmen, daß schließlich beim Circus Maximus eine Horde aufgebrachter Burschen über den Lästerer herfiel. Sie schlugen ihn mit Stöcken und Stangen, bis er sich vor Schmerzen im Staub krümmte und keinen Laut mehr von sich gab. Nein, wer in Rom ein Ziel verfolgte, tat dies besser auf krummen Wegen.
    Ein Glück, daß Gott Notlügen verzeiht, dachte Jakob. Frangipane kam ihm in den Sinn. Könnte er an ihre gestrige Begegnung anknüpfen und versuchen, in den Zirkel dieses Wüstlings zu gelangen? Oder würde ihn der Bischof durchschauen? Was hatte er von Trippa gewollt? War ihre Begegnung ein Zufall? Wie stand Trippa zu dem Bischof? Jakob stellte fest, daß er viel zuwenig über den Vatikan wußte, diesen Kosmos an Beziehungen und Eifersüchteleien, in dessen verwirrender Vielfalt sich die ganze Welt verbergen mochte. Er nahm sich vor, demnächst Trippa über die Kurie auszufragen, wer welche einflußreiche Funktion bekleide, wer mit wem gemeinsame Sache mache und welche Parteiungen am meisten verfeindet seien. Wenigstens dazu mußte der Monsignore ihm Auskunft geben. Frangipane jedenfalls zählte nicht zu den engen Freunden des Kanzlers, so viel wußte Jakob; zwar galt er als Parteigänger der Franzosen, stammte allerdings aus dem Mezzogiorno, wo der Kaiser viel Land und viel Sympathien besaß. Das Gewicht seines Bistums war gering, sein Einfluß war jedoch nicht unbedeutend, weil er mit einer überlaut vorgetragenen Verehrung für die Gottesmutter Maria eine Haltung verkörperte, die zur Zeit am Heiligen Stuhl besondere Gnade genoß. – Ja, entschied Jakob, Bischof Frangipane ist ein guter Anfang; ich werde ihn aufsuchen und bei den Körpersäften anknüpfen; damit läßt sich ins rechte Gespräch kommen.
    Er machte sich auf den Weg durch die Stadt bis hinaus ans Ostia-Tor zur Cestius-Pyramide, wobei er den Trubel des nachmittäglichen Rom genoß. Unter einem fahler werdenden Himmel lebten die Menschen richtig auf, und Jakob steuerte mit innerer Vorfreude Giuseppes Schenke am Campo de Fiori an. Dort, wo morgens die Obst- und Gemüsekarren standen, reihten sich nun Schemel und Stühle, die zu den vielen Schenken gehörten, die in den unteren Räumen der Mietshäuser und schäbigen Palazzi untergebracht waren. Männer und
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