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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie
Autoren: Georg Brun
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solle sich in acht nehmen, doch sie hat mich nur angelächelt und erwidert, sie könne gut auf sich aufpassen. Dann schlüpfte sie ins Dunkel. Sie war hübsch«, endete er und kratzte sich am bartlosen Kinn.
    »Danke«, flüsterte Serena. »In welche Richtung ist sie gegangen?«
    »Sie ging nicht rechts hinunter zum Passetto, sondern nach links zur Mauer auf die Porta Angelica zu; wahrscheinlich ist sie durch die Weinberge zum Tiber gegangen und über die obere Brücke, von der man in die Strada del Popolo gelangt. Das ist nachts der bessere Weg.«
    »Ist irgend etwas auffällig gewesen?«
    »Nein; die Straße war ruhig, ich habe niemanden bemerkt – obwohl …« Er hielt inne und nahm sein bartloses Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, eine Geste, die Serena unter anderen Umständen belustigt hätte. »Ich habe ihr nachgesehen, bis sie an der Stadtmauer verschwand; und in dem Augenblick, da ich mich umdrehte, um ins Haus zurückzutreten und das Tor zu schließen, meinte ich einen Schatten wahrzunehmen, der sich aus einer Mauernische löste. Der Schatten huschte dahin wie der Schatten einer jagenden Möwe; ich lauschte noch eine Weile, hörte jedoch nichts. Dann habe ich das Tor geschlossen. – Sie ist wirklich deine Tante?«
    Serena nickte.
    »Was ist mit ihr?«
    »Ich vermisse sie.«
    »Sie wird bei einem Verehrer hängengeblieben sein«, erwiderte der Jüngling. »Da sind die Huren alle gleich.«
    »Vielleicht«, erwiderte Serena, und ihre Stimme klang gekränkt. Der Wächter spürte es.
    »Sei nicht eingeschnappt«, munterte er Serena auf. »Wenn du Hilfe brauchst, laß es mich wissen.«
    Serena streckte ihm ihre Hand hin, und er schlug ein. Dann drehte sie sich um, wartete, bis er das Tor geöffnet und auf der Straße nach dem Rechten gesehen hatte, dann schlüpfte sie hinaus und rannte in die Richtung, die Bibiana in der letzten Nacht genommen hatte. Sie schlich an dem dösenden Wächter der Porta Angelica vorbei in die Weinberge hinaus und fand mit traumwandlerischer Sicherheit zur Tiberbrücke. Hier gab es wieder etwas Licht von den Feuern, die gegenüber vor dem Stadttor brannten. Serena war froh, der Dunkelheit entronnen zu sein. Sie hielt inne und überlegte, was sie als nächstes tun sollte. Eigentlich war sie eine Närrin, daß sie glaubte, in stockfinsterer Nacht einen Hinweis auf ihre Tante zu finden; alles, was sie nun tat, war sinnlos. Plötzlich spürte sie, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Sie wollte nicht aufgeben, sondern etwas unternehmen, gleichgültig, ob es sinnvoll war oder nicht. Sie beschloß, auf dieser Seite des Flusses zu bleiben, und tastete sich am rechten Ufer in der Dunkelheit entlang.
    Bald stand sie vor den schweren Mauern der Engelsburg. Da entdeckte sie an der groben Steinmauer, welche die Uferböschung begrenzte, ein helles Stück Stoff. Sie nahm den Fetzen in die Hand; es war weißes Leinen von derselben Art, aus der Serenas Kleid genäht war; es konnte von Bibianas Kleid stammen. Auf einmal schlug ihr das Herz bis zum Hals. Sie steckte den Stoff in ihre Tasche und suchte den Boden und die Mauer nach weiteren Spuren ab, fand jedoch nichts mehr. Dann lief sie mit vor Angst klopfendem Herzen unter der Burg entlang zur Engelsbrücke, hastete über den Fluß und am anderen Ufer hinab bis zur Via Giulia. Ohne innezuhalten, rannte sie zur Katharinenkirche, eilte am Palazzo Farnese vorbei und wurde erst auf dem Campo de Fiori langsamer.
    Der Platz lag still, aber nicht menschenleer da, denn vor einigen Schenken lagerten Menschen ohne Wohnung und tranken Wein gegen die Kälte. Obwohl es immer noch dunkel war, lag der Hauch von Dämmerung in der Luft. Serena ließ sich bei Giuseppe auf einen Schemel sinken und starrte in die Nacht.

Ein geschlagener Bischof
    Längst war der Morgen angebrochen, aber Jakob lag noch auf seiner Pritsche. Er hatte die erste Morgenandacht ausfallen lassen und statt dessen über den Auftrag des Kanzlers nachgedacht. Bei der Erinnerung an die tote Frau fühlte er sich leer und erschöpft, und am liebsten wäre er aufgestanden und zum Monsignore gegangen, um ihm mitzuteilen, daß er sich dem Auftrag nicht gewachsen fühle. Doch dagegen rebellierte sein Pflichtgefühl; ein bayerischer Dominikaner, insbesondere ein Schüler des berühmten Doktor Johannes Eck zu Ingolstadt, floh vor keiner Aufgabe.
    Jakob erhob sich ächzend; in diesen Novembernächten kroch die Kälte unter die Decke und fuhr ihm in die Knochen, daß morgens sein Kreuz schmerzte.
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