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Der Eisvogel - Roman

Der Eisvogel - Roman

Titel: Der Eisvogel - Roman
Autoren: Uwe Tellkamp
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überörtlichen Groß-Brausefabrikanten schlängelte über die Videowand– Quatsch, Sie müssen den Kunden auf die Herdplatte setzen! Drehen Sie auf neun. Zwei Minuten, sag ich, nach spätestens zwei Minuten muß er brennen! Ein guter Verkäufer verkauft nichts, der bringt den Kunden so weit, daß er auf den Knien gerutscht kommt und um Gottes willen bei ihm kaufen will. Verstehen Sie das? sag ich zu denen. Nie wieder Kaltakquise!
    – Mauritz kam und berührte mich, die sich langsam nähernde Hand, sagte: Du bist mir wie ein Bruder
    [ PATRICK G. {...}] die vier Hubschrauber hoben sich in Zeitlupe, folgten dem Zeppelin. Der Meister fuhrwerkte mit dem Joystick herum. Die Rotorblätter der Hubschrauber knatterten. Jetzt begann das Stück für vier Cellisten der Berliner Philharmoniker, die, ausgestattet wie Astronauten, an Bord der Helikopter saßen und emsig Flageolett-Töne wiederholten, dazu Verse des Konfuzius über die Stille rezitierten, was nach dem Willen des Meisters – die Werbung für den Brausefabrikanten auf der Videowand wurde durch Interviewpassagen unterbrochen – sich zu einem subtilen Dialog zwischen Mensch und Technik vereinen sollte. Der zweite Videoschirm begann zu rauchen, getroffen von einem Feuerwerkskörper
    – ich muß nachdenken, sagte ich. Über das, was ich jetzt mache, und was ich gemacht habe. Ich glaube, ich will aussteigen. – Nein, das willst du nicht, sagte Mauritz. Du hast einen Schreck gekriegt und mußt dich erst einmal beruhigen. Das geht vorbei. Verdammt nochmal, dein Professor ist doch bloß ein alter intriganter Idiot. Was jammerst du da herum? Aber wenn du wirklich aussteigen willst: Zahl das Geld zurück, das du von uns bekommen hast, du erinnerst dich? Miete für mehrere Monate, Steuerberatung, Honorar, das wir dir gezahlt haben, damit du mit nach München fahren konntest,Spesen – Ihr habt, das heißt du, du hast ... es mir gegeben, – Geschenkt, meinst du? Mauritz musterte mich mit einem Ausdruck, den ich an ihm noch nie wahrgenommen hatte, haßerfüllt, abschätzig. Man bekommt im Leben nichts geschenkt, Wiggo Ritter
    – das ist das Tollhaus der Bilanzakrobaten, echt. Loch beim Eigenkapital, längst abgeschriebene Firmentöchter haben sie mit dreihundert Millionen reaktiviert, wissen Sie, wie das Finanzgericht so was nennt? Bilanzielle Leichenfledderei, selbst wenn Sie nach IAS bilanzieren, Anlage- und Umlaufvermögen, Eigenkapital, Rückstellungen
    – verzeih, sagte Manuela
    – sie sind alle abgesprungen, haben uns allein gelassen, sogar meine spachtelmasseerzeugende Großtante, die haben die Schwänze eingezogen, und das will die Elite dieses Landes sein ... Daß ich nicht lache! – Was machen wir? fragte Dirk vor der Fabrik für Eierteigwaren. – Ja, was glaubst du wohl? Wozu sind wir hier? Alles wie gehabt. Wir proben den Anschlag auf das KaDeWe, wie wir es vorhatten, und hier ist unser Übungsgelände, wie geplant, ausgearbeitet und längst festgelegt ... Woran scheiterten die Attentäter des 20. Juli? Daß sie nicht begriffen haben, daß es überhaupt keine Rolle spielt, ob Hitler wirklich tot ist oder nicht – entscheidend ist, ihn für tot zu erklären, mit aller Konsequenz ... Was macht es, wenn ein nasenbärtiger Hampelmann über Rundfunk erklären will, er sei Adolf Hitler und quicklebendig ... Da muß ein Arzt bereitstehen, der den Mann für verrückt erklärt, für Wenzel Müller mit einer wohlbekannten Doppelgängermacke, entsprungen dem Irrenhaus zu Wien ... Kurz: Wer oder was Adolf Hitler ist, bestimmen wir ... Ich lasse mich nicht einschüchtern. Solche Phasen gibt es immer, sie werden vorübergehen, sie werden wiederkommen. Hast du Angst? Hast du Angst, einemVerlierer zuzuhören und deinen Hintern zu riskieren? Hau ab, wenn du willst! Schlappschwänze und Feiglinge kann ich eh nicht brauchen, denen zittert bloß die Hand, wenn’s drauf ankommt. – Mauritz, du hast viel für mich getan, ich ... – Du kannst Schmiere stehen, wenn du willst, und wenn’s dir zu heiß wird, kannst du auch abhauen, aber ich kann dann natürlich nicht verhindern, daß sie dich drankriegen, es gibt Dateien, Unterlagen, das gilt im übrigen auch für euch beide, Wiggo, Manuela ... Mitgegangen, mitgefangen ... mitgehangen, will ich doch meinen, oder? Gilt das nicht mehr? – Mauritz, das ist doch alles Wahnsinn ... Wie willst du das machen, ohne Geld, und wenn Edgar recht hat und der Verfassungsschutz hinter uns her ist, – Na, dann spielt’s doch eh keine Rolle
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