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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald
Autoren: Chris Howard
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ich mir das Rohrstück, schwang es über den Kopf und trieb die beiden damit zurück.
    Zee hob ihren Stock und schlug nach mir, aber ich wehrte ihren Angriff ab und schob sie von mir weg. Dann warf ich das Rohr beiseite und stürzte mich wieder auf den Schnee. Ich wühlte und grub, und endlich schlossen sich meine Hände um etwas – die Nagelpistole. Hastig packte ich zu.
    Wieder stürmte Zee auf mich zu, aber jetzt hatte ich die Pistole, richtete sie auf die Baumkrone und feuerte die Nägel ab.
    Metall auf Metall. Funkenflug. Und Bumm. Einfach so verwandelte sich das Fass in einen Feuerball und ließ die Lichtung in seinem Schein erstrahlen. Ich sah zu, wie das Feuer über das Kabel lief und den dunklen Himmel verbrannte, als wollte es ihn einschmelzen.
    Alles glühte, dann kam die Explosion. Ich drückte mein Gesicht in den Schnee und hörte zu, wie die Welt knallte und knisterte. Als ich wieder etwas sehen konnte, war das Blätterdach über mir nur noch ein Netz aus Feuer, und der gesamte Wald stand in Flammen.
    Jeder einzelne Baum.
    *
    Noch nie hatte ich gesehen, dass etwas so brannte. Die Bäume entzündeten sich, als wären sie nur dafür geschaffen worden, um die Nacht zu erhellen und immer weiterzubrennen. Kein Rauch. Zumindest noch nicht. Nur rote und goldene Kugeln, die anschwollen, sich wild drehten und ihren heißen Atem über uns gleiten ließen.
    Die Flammen schlugen aus den Baumstämmen, und bald waren wir von Feuer umgeben. Ich schwitzte in meinem dicken Mantel, riss den Reißverschluss auf und streifte den violetten Pelz ab, während ich mich aufrappelte. Dann schob ich die Nagelpistole in meinen Hosenbund und rannte durch den schmelzenden Schnee, der den Boden aufweichte.
    Zee und meine Mutter hatten es bis an den Rand der Lichtung geschafft, saßen jetzt aber dort fest. Es gab nur einen Weg: Vorwärts, direkt ins Feuer.
    »Los!«, schrie ich, aber sie konnten mich wegen des brüllenden Infernos nicht hören. Also schnappte ich mir ihre Hände und zerrte sie hinter mir her zwischen die zuckenden Flammen.
    Wir rannten durch den brennenden Wald, und auch wenn es strahlend hell war, konnten wir kaum etwas sehen. Zees Hand entglitt mir, deshalb manövrierte ich mich hinter sie und schob sie vor mir her, so dass wir im Gänsemarsch auf die kalte Dunkelheit zutaumelten, die hinter den letzten Bäumen auf uns wartete.
    Während wir so stolperten, rannten und die Asche einatmeten, wurde mir die Brust immer enger, und mir stiegen Tränen in die Augen. Ich verfiel in Panik. Denn ich hatte sie getötet. Jeden einzelnen von ihnen. Jeden dieser wunderschönen Bäume. Bis auf einen, redete ich mir gut zu. Den einen, der in der Obstplantage eingeschlossen war, jenseits der Anhöhe.
    Zees Mantel fing Feuer, ich musste ihn ihr so schnell wie möglich ausziehen. Ich schälte den dicken Stoff von ihrem mageren Körper und peitschte ihn dann nach vorne, um die Flammen vor uns zurückzutreiben.
    Für eine Sekunde verlor ich die beiden aus den Augen. Ich schrie Zees Namen. Dann stürzte ein Baum um und drängte mich zurück. Dabei sprangen Flammen auf meinen Rücken über.
    Ich ließ mich in den Schnee fallen und rollte mich herum, bis ich dampfte und zischte. Dann entdeckte ich Zee, draußen jenseits der Waldgrenze. Blind stemmte ich mich auf die Knie und kroch los.
    Und endlich war ich frei.
    »Was hast du getan?«, schrie sie immer wieder und schlug mit bloßen Händen nach mir, während ich auf sie zukroch.
    »Hör auf«, rief ich und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Ein Blick zurück zum Wald zeigte mir, dass alles brannte, außer dem schäbigen Metallbaum in der Mitte. Dem Baum, den ich viel zu schnell zusammengezimmert hatte.
    »Du hast sie verbrannt, Banyan. Sie getötet. Die ganzen Bäume! Und das nach allem, was wir getan haben.«
    »Nein«, protestierte ich. »Es gibt noch mehr. Es gibt noch mehr!« Ich stand auf, griff nach ihren Händen und hielt sie fest. »In der Obstplantage. Wir müssen zur Obstplantage! Und dann bringe ich uns hier raus, uns alle!«
    Sie konnte eine Hand befreien und schlug mit der Faust nach mir, aber ich fing sie ab. Als sie zu sprechen versuchte, wurde sie von einem Hustenanfall gepackt. Der Rauch saß noch in ihrer geschwächten Lunge. Irgendwann bekam sie wieder Luft und starrte mich an. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und ihre Lippen zitterten.
    »Wir können nicht zulassen, dass die sie kriegen, Zee. Das dürfen die einfach nicht tun. Sie machen doch immer, was sie
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