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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald
Autoren: Chris Howard
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auf das Feld. Dahinter sah ich die spärlichen Überreste der Stadt – die verdreckten Stahlkuppeln und Bunker, die bröckelnden Betonruinen. Der Wind nahm zu, fegte heulend um die Gebäude und wirbelte den Sand zu harten Geschossen auf. Ich setzte meine Schutzbrille auf und vergrub meine Nase in einem Tuch, aber die reichen Freaks erwischte es eiskalt, so dass sie sich die verwöhnten Lungen aus dem Leib husteten.
    »Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause«, murmelte Frost, als der Anfall vorbei war und der Wind wieder nachließ. Lässig deutete er auf den Wächter. »Crow wird Ihnen den Mais geben, der dann aber von Ihrem Honorar abgezogen wird.«
    »Das wie hoch wäre?«
    »Was immer ich für angemessen halte. Wenn Sie Glück haben, gibt’s Hunderter aus der alten Welt.« Nun streckte er die Hand aus – ein Finger fehlte, die Haut um das Gelenk war geschwollen und feucht. »Arbeiten Sie hart, Mister B.«, befahl Frost, während er meine Hand schüttelte. »Und halten Sie sich vom Haus fern.«
    Ich drehte mich um und musterte das Stahlgebäude, das zwischen Feld und Straße aufragte. Sah ziemlich neu aus. Durch die riesigen Metallsäulen wirkte es irgendwie dornig wie ein monströses Stück Stacheldraht. Hinter dem Fenster im obersten Stockwerk entdeckte ich zwei Gesichter. Sie sahen aus wie kleinere Versionen von Frost und seiner Frau – das drahtige, braunhaarige Mädchen war ungefähr in meinem Alter. Der Junge war kleiner. Er bohrte so hingebungsvoll in seiner Nase, als hätte er dort drin etwas verloren. Aber das Mädchen drückte die Stirn gegen die staubige Scheibe und starrte mich unverwandt an.
    »Keine Sorge.« Ich drehte mich wieder zu Frost um. »Sie werden nicht einmal merken, dass ich da bin.«
    *
    Ich hatte den Wagen so weit entfernt vom Haus wie möglich geparkt, direkt neben einer alten Ziegelmauer, die wohl die Grundstücksgrenze markierte. Das Haus auf der anderen Seite hatte einen Pool, und ich hörte plätscherndes Wasser, Gelächter und scherzende Stimmen, die durch die Nacht hallten. Klang so, als hätten sie einen Mordsspaß. Verdammt, selbst für jemanden wie mich, der panische Angst vor Wasser hatte, klang das gut. Ich würde mich eben vom Pool fernhalten. Einfach nur rumhängen. Wäre nett, mal jemanden zum Reden zu haben.
    Ich hatte die Heckklappe geöffnet und es mir im hinteren Teil des Wagens gemütlich gemacht, bei meinen Werkzeugen und Vorräten. Zwischen Zangen, Hämmern, Blechen und Drahtrollen. Mein Kopf ruhte auf einer Schachtel mit LEDs und die Füße auf einem Sack voller Schraubenzieher. An der einen Wand hingen die Lötlampe, die Nagelpistole, meine Handschuhe und die Reservebrille, an der anderen hatte ich meinen Vorschuss verstaut. Genug Popcorn für mehr als eine Woche. Drei Mahlzeiten pro Tag.
    Die Mikrowelle klingelte, und ich nahm das Popcorn heraus. Superfood nennen sie es bei GenTech. Entwickelt, um den Körper mit allem zu versorgen, was er braucht. Und wenn man genug davon isst, stimmt das vielleicht sogar. Aber die meisten Leute sehen irgendwie gelblich aus, gehen gebückt und wirken zu lang und zu dünn. Und sogar Reiche müssen künstlich nachhelfen, um älter auszusehen – ganz egal, wie voll der Bauch ist, fast jeder endet früher oder später mit einer verkrusteten Lunge.
    Ich riss die violette Tüte auf. Dem Geruch nach zu schließen war es die Geschmacksrichtung Makkaroni mit Käse. Schätze mal, früher, bevor sämtliches Vieh gefressen und wieder ausgespuckt wurde, haben sie den Käse irgendwie aus Kühen gemacht. Aber jetzt hatten wir nur noch das, was GenTech für Käsegeschmack hielt. Trotzdem, das stinkige Popcorn, das jetzt klebrig in meiner Hand lag, war das prächtigste Abendessen, das ich erwarten konnte.
    Ich griff nach Pas altem Sombrero. Das Flechtwerk aus Maisstroh war voller Löcher, und überall waren Schweißflecken von meinem alten Herrn. Wenn ich das Gesicht hineinhielt, konnte ich immer noch seinen rauchigen Geruch wahrnehmen. Ich setzte den Hut auf und stellte mir vor, wie ich Frost sagte, er solle sich seinen Job dorthin schieben, wo die Sonne nicht scheint. Denn mein alter Herr hätte sich geweigert, ganz egal wie verzweifelt er gewesen wäre. Schon in dem Moment, als Frost seine Lady wie Dreck behandelte.
    Pa sagte immer, wir würden uns einmal unseren eigenen Wald erschaffen, sobald wir genug gespart hätten, um nicht mehr herumziehen zu müssen. Er sagte, wir würden uns ein Haus in den Baumwipfeln bauen, weit weg von Elend
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