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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald
Autoren: Chris Howard
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Zee noch einmal. Ich fühlte mich grauenhaft. Ich hätte schreien sollen. Oder irgendetwas tun. Aber im Moment war ich ziemlich abgelenkt, da Crow mich am Hals gepackt hatte und zu meinem Wagen schleifte.
    *
    Crow verpasste mir einen Schlag in den Magen und ließ mich dann auf dem Gummiwaldboden liegen. Ich traute mich nicht, aufzustehen. Stattdessen sah ich zu, wie der Wächter die Rädchen an meinen Blumen drehte, vorsichtig über die Gummispäne ging und den Schalter umlegte, der die LEDs blinken ließ. Eines der Räder quietschte leise, und Crow schüttelte den Kopf. »Das braucht Öl«, stellte er geistesabwesend fest, als würde er mit sich selbst sprechen. »Aber deine Arbeit ist gut.«
    Crow hatte seine Dreadlocks unter einem Hut aufgewickelt, der aussah, als wäre er schon hundert Jahre alt, und so konnte ich das Brandmal in seinem Nacken erkennen – einen roten Löwen. Das Zeichen eines Soljah. Oben in Niagara hatten Pa und ich einmal für diese Rastas gebaut. Dort lässt es sich genauso gut leben wie überall sonst, und es ist wesentlich schöner dort. Mir war allerdings schleierhaft, wie man von einem Krieger in Waterfall City zum Wächter eines Arschlochs wie Frost werden konnte.
    »Schon mal was von Zion gehört, kleiner Mann?«, fragte Crow und drehte wieder an den Rädchen.
    Ich nickte, aber da er mich nicht ansah, versuchte ich es mit Sprechen. »Klar«, murmelte ich, »sicher.«
    »Meinst du, die Bäume dort sind aus Metall? Oder die Blumen aus quietschenden Rädern?« Jetzt hockte sich Crow direkt neben mich.
    »Wohl kaum«, gab ich zu, während ich überlegte, ob er mich wohl wieder schlagen wollte.
    »Stimmt.« Der Wächter lächelte. »Dann glaubst du also, was man sich erzählt? Wer sich ein Schiff baut, das groß genug ist, wird Zion erreichen?«
    »Ein Schiff?« Ich hatte Crow nicht für religiös gehalten, und aus irgendeinem Grund ging mir seine Fragerei auf die Nerven. Er sollte mich verprügeln oder ausliefern, ansonsten konnte er meinetwegen zur Hölle fahren. »Ich habe die Brandung gesehen«, erklärte ich. »Kein Schiff wäre jemals groß genug.«
    »Kein Schiff wäre groß genug. Aber das heißt ja nicht, dass es diesen Ort nicht gibt.«
    Ich versuchte mich aufzusetzen, aber meine Rippen taten weh.
    »Also, wo hast du dieses Foto her?«
    Crow lachte grollend. »Ich denke, Miss Zee mag dich. Ja, sie mag dich.«
    »Das Foto! Wo hast du es her?«
    »Was hat sie dir gezeigt? Die Bäume?« Als ich nicht antwortete, lächelte Crow wissend. »Natürlich. Kommen sie dir bekannt vor?« Er zeichnete mit dem Finger imaginäre Linien auf seinen Körper. »Wie das Tattoo, richtig? Unheimlich, stimmt’s?«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Dieser Mistkerl spielte nur mit mir, und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte.
    »Hör mal«, fuhr er fort und erhob sich, so dass er über mir aufragte. »Du bist cool, kleiner Mann. Irre cool. Aber wenn du Frost, Miss Zee oder sonst einem von meinen Leuten blöd kommst, werde ich dich fertigmachen. Verstanden? Bau einfach weiter. Sonst reiße ich dir den Arsch auf.«
    Alles klar, das hatte ich begriffen. Aber vorsichtshalber trat mir Crow so brutal in die Eier, dass ich heulend im Staub landete. Dann ließ er mich flennend auf der Erde liegen, zwischen den fröhlich blinkenden LEDs. Und im Haus hörte ich Zee schreien, während dieser fiese, fette Dreckskerl grunzte, brüllte und die Fäuste sprechen ließ.

Kapitel 5
    F rost wütete noch eine halbe Stunde weiter, dann wurde es still im Haus. Ich behielt alles im Auge, und irgendwann gingen die Lichter aus. Bis dahin hatte ich auch beschlossen, was ich tun würde.
    Es gab einfach keine andere Möglichkeit. Sicher, Crow machte mir Angst. Genau wie Frost. Angst davor, erwischt und verprügelt zu werden. Kein Job bedeutete kein Geld und nicht genug Sprit, um neue Arbeit zu finden. Aber in meiner Tasche steckte ein Foto von meinem Vater – angekettet, aber noch am Leben und umgeben von etwas, das aussah wie ein echter Wald. Dieses Bild durchdrang jeden Gedanken in meinem Kopf. Es ließ für fast nichts anderes mehr Platz. Ich wusste, dass ich ohne die entsprechenden Antworten niemals Frieden finden würde. Und Zee war die Einzige, die sie mir vielleicht geben konnte.
    Meine Gedanken drehten sich im Kreis, blieben ständig an Pa und dem Foto hängen. Und an dem dürren Mädchen, das mich mit dieser Sache überfahren hatte.
    Sei kein Idiot, sagte ich mir immer wieder, während ich auf das stille
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