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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König
Autoren: John Henry Eagle
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die Barbera verschwunden war, und er seufzte.
    Der zurückgekehrte Kultknecht führte die Gäste durch lange Flure und über viele Stiegen zu einem Zimmer. Dort sagte er zu Hans: »Eine meiner Herrinnen will mit dir reden, bevor du zu Bett gehst.«
    Hans sah zur Muhme. Sie nickte ihm aufmunternd zu, bevor sie im Zimmer verschwand.
    Wieder wurde Hans durch viele Flure und über zahllose Stiegen geführt. Er sah im Vorbeigehen eine Rüstung; die Gravur auf dem Helm kam ihm bekannt vor, aber er hatte keine Zeit für einen genaueren Blick. Schließlich hielt der Diener vor einer Tür. Er klopfte mit dem Säbelarm dagegen. Drinnen rief jemand: »Herein.« Der Diener öffnete die Tür und bat Hans mit einer Geste, einzutreten.
    Das Zimmer war mit weißem Samt ausgeschlagen. Zierliche Möbel standen an den Wänden. Hans war im ersten Moment wie geblendet. Nachdem er sein Staunen verdaut hatte, sah er Barbera, das jüngste weise Weib, die in einem Erker auf einer Bank saß, umspielt vom Schein der Abendsonne.
    »Danke, dass du gekommen bist, tapferer Hans«, sagte sie. »Tritt näher.«
    Hans, der sich zwischen all dem reinen Weiß seiner Lumpen schämte, stand wie erstarrt da. Barbera kam auf ihn zu, nahm ihn bei der Hand und zog ihn zum Erker.
    »Sieh nur«, sagte sie. »Unser Pinafor. Ist es nicht herrlich?«
    »Oh, ja«, murmelte Hans, dessen Hand in ihrem Griff feucht wurde. Um zu verbergen, dass er errötete, sah er aus dem Fenster: Die goldenen Getreidefelder Flutwiddes erstreckten sich bis in die Ferne – ein prächtiger Anblick, bei dem ihm das Herz aufging.
    »All das ist bedroht«, sagte Barbera. »Lohnt es sich nicht, dafür zu kämpfen?« Sie nahm seine Hand und streichelte sie mit dem Daumen.
    »Doch … ja«, krächzte Hans. Barbera duftete nach Flieder, und er rang um Atem.
    »Wenn du das Mädchen findest, erfahren wir vielleicht, wo die Esche wurzelt und welche Gefahr Pinafor droht«, flüsterte sie und strich über sein blondes Haar.
    Hans bekam eine Gänsehaut. Ihm schwirrte der Kopf. »Ja, ich verstehe«, stieß er hervor. »Ich werde das Mädchen suchen … und finden … und …«
    Barbera legte ihm die Hände auf die Schultern. »Du bist mutig und gut, Hans«, sagte sie. »Ich bin stolz auf dich.
Wir
sind stolz auf dich.«
    »Danke … danke«, stotterte Hans. Er hatte noch nie so viel Zuneigung und Anerkennung erfahren und wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Außerdem verdrehte ihm die Nähe der Frau den Kopf. Er hatte weiche Knie und hätte sich am liebsten gesetzt, aber sie schmiegte sich an ihn und legte ihren Kopf gegen seine Brust. Hans erstarrte. Sein Herz trommelte wie Pferdehufe beim Galopp.
    »Nun musst du gehen«, murmelte sie.
    »Natürlich«, sagte Hans. »Ich muss … gehen. Ja, ich gehe! Wo … ist die Tür?« Er sah sich suchend im Zimmer um.
    Barbera griff nach einer Klingel. Auf den hellen Klang hin öffnete der Kultknecht die Tür.
    »Schlaf gut«, flüsterte das jüngste weise Weib. »Träume von unserem schönen Pinafor.«
    Hans schwankte mit butterweichen Beinen zur Tür. Auf der Schwelle drehte er sich noch einmal um.
    »Finde das Mädchen«, rief sie. »Rette Pinafor!«
    Er nickte stumm. Der Diener schloss die Tür hinter ihm, und sie traten den Rückweg an. Hans ging wie auf Wolken.
     
    Die Muhme schnarchte, aber nicht das hielt ihn wach. Er hatte oft Angst vor dem Einschlafen, weil ihn Albträume von der Gefangenschaft bei der Hexe im Lohwald plagten. Er sah zum Baldachin des Bettes auf, der mit dem Bild einer Nixe geschmückt war. Ihre Haare waren so dunkel wie die des jüngsten weisen Weibes, und die Silberfäden, mit denen Fischschwanz und Körper gestickt worden waren, glitzerten im Zwielicht. Sie breitete die Arme aus, als wollte sie ihn an ihren Busen drücken.
    Er wälzte sich im Bett hin und her. Manchmal meinte er, in den Tiefen des Hauses ein Stöhnen oder Dröhnen zu hören, wie es während des Gesprächs mit den weisen Weibern ertönt war. Später glaubte er, ein Sirren zu vernehmen. Als ihn der Schlaf doch noch übermannte, hatte er einen Traum, in dem erst Barbera und dann das Mädchen auftauchte. Er versank in ihren Körpern. Im Halbschlaf träumte er von dem grasgrünen Feuer, in dem seine Kameraden verbrannt waren. Schließlich erwachte er. Draußen graute der Morgen, und ein fahles Licht fiel durch das Ostfenster. Er rieb seine Augen.
    Die Muhme stand angekleidet vor der Waschkommode und legte das Handtuch neben die Schüssel. »Guten
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