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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König
Autoren: John Henry Eagle
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entspringen schien.
    »Seid … gegrüßt«, japste Hans.
    Als der Diener die Muhme erkannte, bat er die Ankömmlinge herein und verriegelte hinter ihnen die Tür. Sie standen in einer von Kerzen erhellten Halle, die an sich schon größer war als die Hütte von außen. Bestickte Teppiche hingen an den Wänden, der Fußboden war mit einem Mosaik verziert. Bis auf das Knistern der Kerzendochte war es totenstill. Der Diener stand mit starrer Miene und an die Seite geklapptem Schwertarm vor der Tür.
    »Wer ist das?«, flüsterte Hans und zeigte mit dem Daumen auf den Mann.
    »Ein Kultknecht«, antwortete die Muhme. »Eine Art Diener. Und jetzt sei still.«
    Da erschienen die dreizehn weisen Weiber auf der Freitreppe am anderen Ende der Halle. Sie trugen weiße Gewänder und spitzenbesetzte Hauben. Die Muhme verneigte sich. Hans tat es ihr gleich.
    Das älteste weise Weib winkte ihnen. Die Muhme erklomm die Stufen. Hans drehte sich auf halber Treppe noch einmal um. Zu seiner Verblüffung zeigte das Mosaik auf dem Fußboden der Halle ein Muster, das ihn an den Rücken des Mädchens erinnerte.
    »Wllkommen, ehrwürdige Muhme«, sagte die Älteste, die im Gegensatz zu den anderen Weibern keine golddurchwirkten Schuhe, sondern Filzpantoffeln trug. »Welche Freude, Euch wiederzusehen.«
    Sie folgten dem hinkenden, auf einen Knotenstock gestützten Weib durch einen langen, verwinkelten Flur und betraten ein Gemach, dessen Dielen goldgelb glänzten. Hohe Fenster boten Blicke auf die Fluren Flutwiddes. Vor dem Kamin, in dem ein Feuer brannte, standen dreizehn Lehnstühle in einem Halbkreis. Die weisen Weiber ließen sich darauf nieder. Ein anderer Kultknecht, der wie ein Geist aus den Schatten trat, holte zwei zusätzliche Stühle. Dann bat das älteste Weib ihre Gäste mit einem Wink, Platz zu nehmen, und fragte: »Was verschafft uns die Ehre Eures Besuches?« Sie mahlte beim Sprechen mit dem Kiefer, die auf dem Knotenstock liegende Hand zitterte. Die übrigen weisen Weiber waren ähnlich alt, aber ganz links saß eine, die viel jünger wirkte. Dunkle Haare quollen unter ihrer Haube hervor, ihre Lippen waren rot und voll. Hans starrte sie an. Als sie seinen Blick bemerkte, sah er zu Boden.
    »Ich bin gekommen«, begann die Muhme, »weil ich glaube, dass Pinafor in Gefahr ist. Ja, ich befürchte sogar, dass man den Eisernen König zum Leben erwecken will.«
    Schweigen trat ein. Mehrere Weiber räusperten sich.
    »Zum Leben erwecken?«, fragte Hans entsetzt. Er kannte die Sagen von der Schreckensherrschaft des Eisernen Königs: Er ließ seine Feinde in den Kerkern der Grenzfeste Rottland zu Tode foltern; den Zehnten trieb er selbst ein, begleitet von einer blutrünstigen Leibgarde; wenn ein Landmann nicht zahlen konnte, wurde er gepfählt; säumige Handwerker und Kaufleute wurden gerädert, Frauen und Töchter verschleppt. Nach Jahrzehnten des Grauens wurde der Eiserne König von der beherzten Amme vergiftet, die seine Bastarde stillte. Seine untereinander zerstrittenen Söhne wurden hier, am Wolkenberg, von Hilmar von der Usse besiegt, der danach die Dynastie der Gografen begründete – kein bedeutender Titel, aber nachdem der Eiserne König Pinafor so lange geknechtet und ausgeplündert hatte, wollte der erste Gograf ein Zeichen der Bescheidenheit setzen. So jedenfalls ging die Legende.
    Die weisen Weiber sahen die Muhme an.
    »Viele haben ihn vergessen«, fuhr die Muhme fort. »Aber wir …« – sie zeigte auf die Weiber und sich selbst – »… wissen sehr wohl, dass er in voller Rüstung und mit dem Schwert auf der Brust in seiner Grabkammer im Königskessel liegt und der Wiedererweckung harrt.«
    »Glaubt Ihr ernsthaft, dass jemand so verblendet sein könnte, den Eisernen König von den Toten zurückzuholen?«, fragte das älteste weise Weib und wischte sich Speichel vom Kinn.
    Die Muhme stieß den Stock auf den Boden. »Die grüne Kraft, von der alles Leben abhängt, wird schwächer«, erklärte sie. »Wenn ihr euch draußen umseht, werdet ihr merken, dass Gras und Laub ergrauen. Dazu das viele Gold, das Pinafor überschwemmt; der Schlafbann, mit dem man die Gografen belegt hat; der Hag, der ihre Feste umgibt. Weckt das nicht auch euren Argwohn?«
    »Oh, ja«, erwiderte ein anderes Weib. »Wir sind sehr besorgt. Denn das Nachlassen der grünen Kraft könnte bedeuten, dass die Esche Schaden genommen hat.«
    »Der Tod der Esche wäre das Ende der Welt …«, hauchte ein drittes Weib.
    »Vielleicht hat jemand ein
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