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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König
Autoren: John Henry Eagle
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dem Wolkenberg stehende Häuschen in seinem Inneren barg.
    Hans betrachtete Gefährten und Pferde. Er hatte das Gefühl, zu träumen. Alles, auch sein Auftrag und das Mädchen mit den grünen Augen, kam ihm unwirklich vor.
    »Holunder und Katzen erwarten mich«, sagte die Muhme zu Hans. »Viel Glück, mein Junge. Wir sehen uns.« Sie kniff ihn zärtlich in die Wange. Damit ging sie den Hügel hinunter.
    Hans sah ihr nach. Ohne die Muhme fühlte er sich plötzlich allein. Dann fielen ihm seine Gefährten ein, und er drehte sich um. Sie sahen ihn erwartungsvoll an. »Tja,« stotterte er. »Wir suchen ein … sommersprossiges Mädchen mit grünen Augen und einem rätselhaften, verschlungenen Bild auf dem Rücken, das viele gute Taten vollbringt. Die Sache ist sehr …« – er räusperte sich – »… wichtig. Versteht ihr?«
    Sanne nickte. Kunz murmelte: »Sommersprossen? Aha«, und rückte den Zweihänder zurecht. Sneewitt spottete: »Du siehst aus, als wolltest du gleich in Tränen ausbrechen,
mein Junge
. Möchtest du dich nicht lieber an die Rockschöße der Muhme klammern? Oder der Schürze von Barbera nachjagen? Willst du wirklich mit uns losziehen?«
    »Lass ihn«, sagte Sanne. »Wahrscheinlich hat man ihn genau wie uns zu dieser Suche verdonnert.«
    »Verdonnert?«, fragte Hans.
    »Petze!«, zischte Kunz mit Blick auf Sanne. Dann sagte er zu Hans: »Um ehrlich zu sein, sind wir … gewissermaßen auf Bewährung, weil wir einer hochschwangeren Bäuerin den Melkschemel unter dem Hintern weggetreten haben.«
    Sneewitt lachte laut auf. »Sehr schön formuliert«, erwiderte sie. »Aber war sie wirklich hochschwanger?«
    Hans starrte seine Gefährten an. Dann saß er wortlos auf, und sie ritten los. Sie wurden von drei Wesen beäugt, einer Frau, einem Greis und einem Wicht, die sich an einem Bachufer im Schilf verbargen. Niemand nahm sie wahr.

3. Der Mann, der zwei Tode starb
    Ein Mann schwamm kopfüber in der Usse. Die Strömung zog ihn mit. Messer glitten aus seinem Gürtel und sanken auf den Grund, wo sie im Sand zwischen den Algen lagen und von Fischen beäugt wurden. Sogar die Hechte mieden ihn. Die Flusskrebse zogen sich bei seinem Anblick in ihre Panzer zurück, und die Wasserschneider schlugen einen Bogen.
    Er trieb drei Tage im Fluss. Einmal verhakte sich einer seiner Stiefel im Uferschilf, und er blieb eine halbe Nacht hängen. Seine Arme schaukelten, als wollten sie nach etwas greifen. Frühmorgens löste er sich aus dem Schilf.
    Am Abend des dritten Tages trieb er an den Weidenbäumen vorbei, die die letzte Flussschleife vor der Mündung der Usse in den Welsfluss säumten, nicht weit vom Werder, auf dem die Feste der Gografen stand. Die Sonne sank, und Krähen versammelten sich auf den Bäumen. Sie flogen aus allen Richtungen herbei und ließen sich lärmend auf den Ästen nieder.
    Doch als der Mann an den Bäumen vorbeitrieb, verstummten die Krähen. Ihre Köpfe ruckten herum, sie richteten die Schnäbel auf den nebelverhangenen Fluss. Die Nacht brach herein. Der Mann verharrte mitten in der Strömung. Er begann, sich zu drehen, erst träge, dann schneller. Arme und Beine bogen sich im Sog des Strudels. Die Krähen sahen zu. Der Wind frischte auf und zerzauste ihr Gefieder.
    Der Mann wurde langsam vom Strudel in die Tiefe gezogen. Eine Hand ragte in die Luft, dann wurde auch sie von den Fluten verschluckt.
    Die Krähen blieben stumm, hüpften aber unruhig von einem Bein auf das andere. Der Wind wurde stärker. Äste bebten, Stämme knarrten. Eine Windhose raste aus der Ferne auf die Usse zu. Einige Krähen strichen ab. Dann mehr. Warnendes Krächzen erfüllte die Luft. Die Fische tauchten auf den tiefen Grund. Die Krähen wirbelten durcheinander, dann ergriffen sie die Flucht.
    Im nächsten Moment schossen sieben Raben über die Usse. Die Windhose brach durch die Weiden. Sie fegte den Nebel weg und hielt über dem Strudel. Von dem Luftwirbel in die Höhe gezogen, tauchte der Tote aus den Fluten auf. Sein Gesicht war verbrannt und aufgedunsen. Es war Grimm, der Räuberhauptmann, der Mann, der zwei Tode gestorben war: Einen durch Feuer, einen durch Wasser.
    Die Windhose riss ihn mit und verschwand in der Richtung, aus der sie gekommen war, gefolgt von den sieben Raben.
     
    »Rubine sind, was deine Augen waren!«, sprach jemand.
    Grimm trieb aus dem Tod in den Schlaf und aus dem Schlaf in das Leben. Sein Herz begann zu schlagen, erst ruckelnd, dann regelmäßig. Er öffnete die Augen. Anfangs wurde
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