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Der Einzelgänger

Der Einzelgänger

Titel: Der Einzelgänger
Autoren: Nigel Findley
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aufzumachen. Das Ganze hat die typische formelhafte Struktur des typischen, konzerngesponserten Trideokrimis. Mehrere Execs kommen vom rechten Weg ab und lassen sich auf zwielichtige Geschäfte mit ›unerfreulichen Elementen‹ der Gesellschaft ein - in diesem Fall einem ›bösartigen Konzern‹ aus Tir und der Cutters-Gang -, was sie noch weiter vom Pfad der Rechtschaffenheit abbringt. Irgendwann stellt der Konzern Ermittlungen hinsichtlich gewisser, ans Licht gekommener Unregelmäßigkeiten an, und der weise Ober-Exec - besetzen wir die Rolle des Loudon ruhig mit Nicky Sato, warum, zum Teufel, nicht? - spürt, daß ein paar angesehene Schäfchen seiner Herde abgefallen sind. Durch die Untersuchung geraten die Übeltäter unter Druck, die, wie jedermann weiß, grundsätzlich geistig labil, irrational und gefährlich sind, wie es sich für ihre Versuche, mit dem Status quo zu brechen, auch ziemt. Durch den zunehmenden Druck kommt es zu Fehlern, gegenseitigen Verleumdungen und Auseinandersetzungen. Eine Fraktion innerhalb der Gruppe der Übeltäter greift die andere an und tötet eine der Hauptpersonen. Die anderen geraten in Panik, springen in ihr wartendes Fluchtauto und machen, daß sie wegkommen. Auf ihrer Flucht vor den Kräften des Lichts und der Rechtschaffenheit verlieren sie die Kontrolle über ihren Wagen und setzen ihn mit Tempo zweihundert gegen einen Laternenpfahl, und das war's - langsam ausblenden und Nachspann. Wie ich schon sagte, perfektes Drehbuchformat. Ich wäre nicht überrascht, wenn NBS in den nächsten Wochen irgendwas in dieser Art sendete.
    Loudon sieht mich immer noch an. Sein Gesichtsausdruck ist nachgiebig, doch sein Blick ist stahlhart. »Ja«, murmle ich. »So etwas soll tatsächlich vorkommen.«
    Loudon entspannt sich sichtlich. »Die Vergangenheit ist erledigt«, sagt er, »und wir müssen uns um die Zukunft kümmern. Was Ihre Karriere betrifft, Larson - Sie haben ganz recht, eine ehrenvolle Erwähnung für ihre Bemühungen bei der Zerschlagung der Cutters-Gang geht in Ordnung.« Er macht eine erwartungsvolle Pause. So wird es also in meiner Akte stehen, und er will die Bestätigung, daß ich mitspielen werde. »Und selbstverständlich werden Sie auch befördert«, fährt er großmütig fort. »Bei gleichzeitiger Anhebung Ihrer Bezüge. Und Sie können sich Ihren nächsten Auftrag aussuchen. Ich halte das im Hinblick auf die hervorragende Polizeiarbeit, die Sie geleistet haben, für absolut gerechtfertigt.« Er wirft einen Blick auf Baker, der bestätigend nickt - eine seltsame Abwandlung des Schemas Guter-Cop-Böser-Cop zu Guter-Cop-Guter-Cop. »Was sagen Sie dazu, Larson?« fragt er.
    Was sage ich dazu? Was kann ich dazu sagen? So ist das Leben im Konzernsektor, das weiß ich jetzt. Recht und Unrecht stehen nicht zur Debatte - wichtig sind nur Ableugbarkeit und Schuldfähigkeit. Lynne Tele-strian war der Ansicht, Schrage handele ohne Wissen und Zustimmung seiner Vorgesetzten, aber jetzt wird mir klar, daß sich die Dinge mit ihrem Wissen auch nicht viel anders entwickelt hätten. In dem Augenblick, als der Schwindel aufflog, brauchten die Star-Execs -allen voran Loudon - nur auf die Übeltäter zu zeigen, die jetzt bequemerweise alle tot sind, und vor schockierter Empörung aufzuschreien. Jeder Schattenschnüffler, der sich so sehr dafür interessiert, daß er nach dokumentarischen Beweisen gräbt, wird reichlich finden - alle getürkt, alle wasserdicht und alle auf die ›Tatsache‹ hindeutend, daß Schrage und der Rest auf eigene Rechnung gegen das Wohl des Konzerns und der Bevölkerung allgemein gearbeitet haben. Ende und aus. Gerechtigkeit? Null, Priyatel. Zweckmäßigkeit ist alles.
    Ich kann nur eines sagen und dabei den Überzeugungen treu bleiben, die mich überhaupt erst zu Lone Star geführt haben. Den Überzeugungen, die einen dazu veranlassen, bestimmte Dinge nur deshalb zu tun, weil sie getan werden sollten. Den Überzeugungen, denen ich in letzter Zeit nur noch bei dem Shadowrun-ner Argent begegnet bin. »Schert euch zum Teufel«, sage ich leise. »Schert euch beide zum Teufel.«
    Ich warte nicht auf ihre Reaktion, sondern drehe mich einfach um, verlasse das Büro, gehe durch das Wartezimmer und betrete den Fahrstuhl. Halb und halb rechne ich damit, daß mir jemand folgt, um mich am Verlassen des Gebäudes zu hindern. Doch sie lassen mich in Ruhe und errichten damit wiederum die unsichtbare Mauer um mich. Der Fahrstuhl bringt mich in die Empfangshalle, und ich gehe
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