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Der Einzelgänger

Der Einzelgänger

Titel: Der Einzelgänger
Autoren: Nigel Findley
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aufsteigen.

EPILOG
    Ich komme ein paar Minuten zu früh zu meiner spätnachmittäglichen Verabredung, und das Wetter könnte für den Sprawl nicht besser sein, also beschließe ich, die letzten paar Blocks zu Fuß zu gehen. Ich drücke den Halteknopf auf der Kontrolltastatur des Automatentaxis, und das Spatzenhirn von Autopilot fährt den Wagen an den Randstein, wobei er beinahe eine junge Frau überfährt, die einen Kinderwagen schiebt.
    Als ich aussteige und meinen Kredstab aus dem Zahlschlitz ziehe, werfe ich einen Blick auf das Straßenschild an der Ecke. Erste und Union. Das Charles Royer Building - auch als Metroplex Hall bekannt - befindet sich an der Ecke Fourth und Seneca, fünf oder sechs Blocks entfernt, den Seneca Hill hinauf. Wie ich schon sagte, ist es ein guter Tag für einen Spaziergang, also marschiere ich los.
    Es ist irre, wie alles wieder zur Normalität zurückgekehrt ist - zumindest an der Oberfläche. Ich weiß nicht, wie sie es getan hat, an welchen Fäden sie gezogen hat oder welche Leichen sie auszugraben gedroht hat, aber Lynne Telestrian hat ihr Versprechen gehalten, dafür zu sorgen, daß der Exekutionsbefehl von Lone Star gegen mich zurückgenommen wird. Ich kann wieder über die Straße gehen, ohne das Gefühl zu haben, jeden Augenblick gegeekt zu werden. Die Cutters wollen vielleicht immer noch meinen Kopf, aber nach allem, was mir zu Ohren gekommen ist, gehört die Gang der Vergangenheit an, zumindest als organisierte Kraft, mit der zu rechnen ist. Vielleicht wird sich das ändern, aber die Tode und die Panik und Hysterie, die das Killervirus verursacht hat, scheinen das soziale Gefüge der Gang auseinandergerissen zu haben. Eine Organisation wie eine größere Gang fußt auf einem äußerst prekären Gleichgewicht verschiedener sozialer Triebkräfte, und die Virus-Episode scheint dieses Gleichgewicht restlos zerstört zu haben.
    Ich weiß nicht, welche Auswirkungen die Zerstörung der NVC-Anlage auf die Timothy-Lynne-Auseinandersetzung gehabt hat - ob sie noch im Gange ist oder James Gelegenheit hatte, Timothy als Machtfaktor völlig auszuschalten. Das Telestrian-Imperium existiert jedenfalls noch, aber es wird keine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit gewaschen, und mir liegt einfach nicht genug daran, um zu versuchen, es in Erfahrung zu bringen. Wenn sie sich gegenseitig das Wasser abgraben, können sie das von mir aus ruhig tun, aber ich will nichts damit zu schaffen haben.
    Ich weiß auch nicht, welche Wirkung die Ankunft von Schrage und den anderen Toten am Tir-Ufer gehabt hat. Wiederum könnte ich es wahrscheinlich herausfinden, wenn mir etwas daran läge, aber im Moment ist es mir ziemlich egal.
    Offenbar sind ein paar Leute besorgt, was die Verwicklung Lone Stars in diese Affäre anbelangt, hochgestellte Leute. Als Peg ein paar Tage nach dem Angriff auf die NVC-Anlage ihre elektronischen Fühler ausge streckt hat, um meinen Status in der Welt der Ehrbarkeit zu ermitteln, fand sie heraus, daß Gouverneurin Marilyn Schultz sehr an einem Treffen mit mir interessiert war - natürlich dann, wenn es mir paßt um ›meinen Rat bei der Einschätzung des gegenwärtig bestehenden Vertrags zwischen dem Metroplex und Lone Star Security Services einzuholen‹ oder etwas in dieser Art. Argent und ich verstehen das beide so, daß einige drastische Veränderungen im Schwange sind und Marilyn meine Sicht der Dinge hören will.
    Und deshalb schlendere ich an diesem warmen Nachmittag den Seneca Hill hinauf. Ich treffe auf die Dritte und werfe einen Blick auf die Uhr - immer nochzehn Minuten Zeit -, also beschließe ich, noch einmal um den Block zu gehen und das zu genießen, was in Seattle als Sonne durchgeht. Ich biege links auf die Dritte ein und sehe, daß die Straße etwa auf der Hälfte des Blocks mit Lone Star-Barrikaden abgesperrt ist. Vor den Barrikaden hat sich eine Zuschauermenge versammelt. Neugierig gehe ich darauf zu.
    Es ist die verdammte Lone Star-Motorradbrigade, die einer empfänglichen Menge ihre Fahrkünste demonstriert. Ja, das läßt sich nach voll ziehen, die Messesaison steht bevor, und die Brigade tritt überall im Sprawl und sogar im Salish-Shidhe-Councel auf. Und heute ist sie hier auf der Dritten zwischen Seneca und University und präsentiert sich stolz in den blaugoldenen Galauniformen. Die Harley Electragildes sind so blank poliert, daß sich die Umgebung darin spiegelt, und die Mitglieder der Brigade demonstrieren präzise Manöver, wobei sie die schweren
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