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Der Einzelgänger

Der Einzelgänger

Titel: Der Einzelgänger
Autoren: Nigel Findley
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Watersport ebenfalls und jage noch zwei kurze Feuerstöße direkt in das offene Steuerhaus.
    Es dauert vielleicht zehn Sekunden, um längsseits zu gehen. Ich fahre den Watersport nur mit der rechten Hand und halte das Sturmgewehr in der linken. Ich bin zwar Rechtshänder, aber mit einer automatischen Waffe spielt das auf diese Entfernung keine Rolle. Ich schwinge meinen Hintern auf das Dollbord des Otter, ziehe die Beine nach und bin an Bord.
    Und ganz plötzlich inmitten eines Schlachthauses. Von den vier Personen an Bord sind drei offensichtlich tot, von den MG-Kugeln zu Hundefutter verarbeitet. Die vierte Person lebt noch, aber auch nur noch so eben und nicht mehr lange. Ihr rechter Arm ist praktisch abgetrennt, und aus einer Schlagader spritzt hellrotes Blut auf das Bootsdeck. Der Mann ist bei Bewußtsein, seine Augen sind glasig und vor Schmerz und Schock trübe. Sein Gesicht ist blutüberströmt, aber ich erkenne ihn sofort.
    »Hallo, Mr. Nemo«, sage ich leise. »Oder ist Ihnen Gerard Schräge lieber?«
    Der Lone Star-Pinkel sieht mich verständnislos an. Bei unserer letzten Begegnung hat er mich erkannt, aber ich nehme an, daß er im Moment andere Sorgen hat.
    Ich bin innerlich hin und her gerissen. Schrage ist ein Wichser - er ist derjenige, der mein Todesurteil unterschrieben hat, er hat Drummond und die anderen dazu veranlaßt, den Anschlag vorzubereiten, bei dem Cat Ashburton ums Leben gekommen ist. Er hat den Deal mit Timothy Telestrian abgeschlossen, um sich in den Besitz des Virus als Waffe für sein MV-Projekt zu bringen. Er ist für den Tod von Paco und den anderen Cutters im Rahmen eines verdammten Feldtests verantwortlich. Aber wie sehr ich ihn auch hasse, es nervt mich trotzdem, ihn hier liegen und verbluten zu sehen.
    Drek, wie oft habe ich mir in den letzten Tagen vor-gestellt, ihm eine Kugel durch den lausigen Schädel zu jagen? Aber jedesmal ging es nur darum: Leg ihn um, und das war's. Sauber und ohne bleibende Nachwirkungen.
    Jetzt, wo ich mit den Konsequenzen meiner Rache konfrontiert werde, ist alles anders. Ich mag nicht gewußt haben, daß er an Bord ist, aber es waren meine Kugeln, die ihn erledigt haben. Sein Blut breitet sich auf dem Bootsdeck aus, und ich stehe darin. Das ist die Realität. Ich sollte bei Schrages Tod ein Gefühl der Befriedigung empfinden, ein Gefühl der Vollendung und des Abschlusses. Doch ich empfinde nur Übelkeit.
    Ich wende mich ab. Ich kann nichts zu seiner Rettung tun, selbst dann nicht, wenn ich mich dazu überwinden könnte, etwas zu tun, aber das bedeutet nicht, daß ich ihm beim Sterben zusehen kann. Ich sollte wohl das Boot nach Datenchips und anderem Material durchsuchen, das Schrage und seine Chummer aus der Anlage mitgenommen haben, aber ich bringe es einfach nicht über mich. Zum Teufel damit, wenn Schrages Tod diesem ganzen Drek kein Ende setzt, will ich es gar nicht wissen.
    Das Feuer im Motor des Otter ist erloschen, aber die Maschine ist völlig tot. Während ich dastehe und sie anstarre, fällt mein Blick auf einen Hilfsmotor, einen kleinen Elektromotor mit niedriger Leistung. Ich stehe noch einen Moment in dem Blut, dann spüre ich, wie sich ein Grinsen auf meinem Gesicht ausbreitet. Ja, genau, das ist es.
    Ich gehe zum Dollbord, wo mein Watersport treibt, und nehme mir die Zeit, um den kleinen Schlitten sorgfältig festzumachen. Dann gehe ich wieder zurück und starte den lautlosen Hilfsmotor. Ich lege den Vorwärtsgang ein und stelle den Fahrthebel auf Schrittempo. Der Otter setzt sich langsam in Bewegung. Als ich einigermaßen sicher bin, daß das Boot in Bewegung bleiben wird - daß ich es nicht leckgeschossen habe -, schwinge ich mich über Bord und auf den Watersport. Ich mache die Leine los und starte die Wasserjets des Suzuki. Mit dem Schlitten bringe ich den Otter auf den von mir gewünschten Kurs. Nach Süden auf das Tir-Ufer des Columbia zu. Wer weiß, wie sich die Grenzpatrouillen in Tir das Boot mit den Leichen, zu denen auch ein ranghoher Pinkel von Lone Star gehört, erklären werden. Aber wenn James Telestrians Verbindungen zum Tir-Militär so gut sind wie seine Verbindungen zur Geschäftswelt, sollten sich die Beweise an Bord des Bootes zu einer Keule verarbeiten lassen, mit der James seinen Sohn Timothy windelweich prügeln kann.
    Als ich einigermaßen sicher bin, daß das Ruder mittschiffs ausgerichtet ist und das Boot nicht abtreiben wird, gebe ich Gas und fahre nach Norden, wo Flammen und schwarzer Rauch von der NVC-Anlage
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