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Der Einfaltspinsel

Der Einfaltspinsel

Titel: Der Einfaltspinsel
Autoren: Tom Sharpe
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mit einem Engel oder einem Teufel gerungen, allerdings konnte sie nicht erklären, warum sie dabei eine Duschkappe trug.«
    »Klar, aber ich verstehe immer noch nicht, warum Eva die Vierlinge auf die Klosterschule geschickt hat, wenn sie nicht mehr auf diesem religiösen Trip ist. Eine Klosterschule ist nun mal eine religiöse Einrichtung, noch dazu eine katholische.«
    »Ja, das liegt daran, dass du keine Ahnung hast, wie sie tickt. Eva verfällt von einem Extrem ins andere. Sie schickt die Mädels auf keine staatliche Schule, weil die Lehrerin in der Grundschule in Newhall damals die gesamte Klasse – sechs Schüler an der Zahl – einen ganzen Vormittag lang in Pappkartons sitzen ließ. Das sollte ihr ›Bewusstsein schärfen‹. Schon klar, ich kenne deine Einstellung dazu, dass so etwas zur kindlichen ›Bewusstseinsentwicklung‹ beiträgt. Aber sie sollten allen Ernstes nachempfinden, was für ein Gefühl es ist, in einem Pappkarton auf den Straßen Londons zu schlafen. Das gab Eva den Rest. Sie sagte der Rektorin, ihre Töchter würden nicht als Pennerinnen enden, und sie besuchten die Schule, damit sie lesen, schreiben und rechnen lernten, nicht um an albernen Spielchen in Pappkartons teilzunehmen. Dasselbe Argument brachte sie bei der Sitzung des Lehrer-Eltern-Ausschusses vor, und dann erkundigte sie sich, wann die Schule an die Sechsjährigen lederne Miniröcke und Stiefel austeilte, damit ihnen ›bewusst‹ würde, wie man sich als jugendliche Nutte fühlte. Und du weißt ja, wie die Leute in Newhall so drauf sind.«
    »Das kannst du laut sagen. Bettys Mutter wohnt da draußen, und in ihrem Haus tummeln sich ständig Gucci-Sozialisten mit sechsstelligem Jahreseinkommen, die immer noch überzeugt sind, Lenin habe das Herz am rechten Fleck gehabt.«
    »Nach dieser Geschichte und der Zungenfrau verfiel Eva ins andere Extrem. Die Klosterschule kostet ein kleines Vermögen, aber wenigstens unterrichtet man die Mädchen dort ordentlich und vermittelt ihnen den Glauben an Autorität. Dabei fällt mir ein, ich sollte besser nach Hause. Eva ist zurzeit übel drauf, weil ich das fünfte Jahr in Folge nicht zum Bergwandern in den Lake District mitkomme. Sie hätte gern einen Familienurlaub.«
    Er trank sein Bier aus und radelte in die Oakhurst Avenue zurück, wo er eine überraschend gut gelaunte Eva vorfand.
    »O Henry, es ist herrlich. Wir fliegen nach Amerika«, verkündete sie aufgeregt. »Onkel Wally hat uns Tickets spendiert. Tante Joan freut sich wahnsinnig. Sie rief an, um zu hören, ob wir die Tickets schon bekommen haben, und sie kamen heute Morgen. Ist das nicht …«
    »Herrlich«, ergänzte Wilt und verschwand auf der Toilette, um das Bier loszuwerden und um dem Jubel zu entkommen.

2
    Eva hatte einen fabelhaften Tag hinter sich. Von dem Augenblick an, als die Tickets eingetroffen waren, hatte sie sich den Kopf darüber zerbrochen und ausgerechnet, wie viel Geld Onkel Wally wohl hatte, welche Klamotten in Wilma, Tennessee, den besten Eindruck machen würden und wie sie verhindern könnte, dass die Vierlinge Schimpfwörter benutzten. Letzteres war am wichtigsten. Onkel Wally war ein tief religiöser Mensch, der obszöne Ausdrücke verabscheute. Außerdem war er ein Gründungsmitglied der Kirche des Lebendigen Herrn in Wilma, und es war unangebracht, dass Samantha in seiner Gegenwart »Scheiße« oder noch Schlimmeres sagte. Ganz und gar unangebracht. Tante Joan wäre auch schockiert. Eva hegte nämlich gewisse Erwartungen an die Reise: Mr. und Mrs. Walter J. Immelmann waren nie mit Kindern gesegnet worden, und Tante Joan hatte Eva einmal gestanden, Wally habe vor, die Wilt-Mädels in seinem Testament zu bedenken. Jawohl, es war lebenswichtig, dass Samantha sich ganz hervorragend benahm. Gleiches galt natürlich auch für Penelope, Josephine und Emmeline. Eigentlich für die ganze Familie, abgesehen von Henry. Onkel Wally hielt nichts von Henry.
    »Dieser Mann von dir, Liebes, ist vermutlich ein typischer Engländer und hat gewisse Qualitäten, aber ich muss dir sagen, mit deinen vier entzückenden Mädchen brauchst du einen Brötchenverdiener. Und zwar einen richtigen. Henry kommt mir nicht besonders ehrgeizig und geschäftstüchtig vor. Der nimmt das Leben zu leicht. Du musst ihm ein wenig Mumm einimpfen. Damit er auf Touren kommt und sich dem Leben wie ein Kämpfer stellt. Sich mit einem finanziellen Beitrag an eurem fabelhaften Familienleben beteiligt. Ich habe den Eindruck, dass er sich in dieser
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