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Der Einbruch des Meeres

Der Einbruch des Meeres

Titel: Der Einbruch des Meeres
Autoren: Jules Verne
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entstandenen Störungen und Veränderungen war es recht gut möglich, daß das Saharameer sich ohne weiteres Zutun jetzt von selbst und in weit größerer Ausdehnung gebildet hatte, als es der Kapitän Roudaire einst zu träumen wagte.
    Jetzt erhob sich plötzlich, vorläufig in größerer Entfernung, ein neues Geräusch, das sich aber nicht durch den Erdboden, sondern durch die Luft mit zunehmender Stärke fortpflanzte.
    Im Nordosten stieg eine mächtige Staubwolke auf und bald tauchte daraus eine Reiterschar hervor, die ebenso wie die Tiere in wilder Flucht einherjagte.
    »Hadjar!« rief der Kapitän Hardigan.
    Ja… es war der Tuareghäuptling, und wenn seine Begleiter und er mit verhängtem Zügel daherrasten, geschah es, weil sie den Wirbeln einer hinter ihnen heranbrausenden, ungeheuern Flutwelle zu entweichen suchten, einem Wasserschwall, der über die ganze Breite des Schotts reichte.
    Zwei Stunden waren seit dem Vorüberstürmen der Tiere verflossen, und die Sonne neigte sich schon dem Untergange zu. Inmitten der wachsenden Überschwemmung bot sich das Tell – ein Eiland in dem neuen Meere – der Bande Hadjars offenbar als einzige Zufluchtsstätte dar.
    Jedenfalls hatten Hadjar und die Tuaregs die Bodenerhebung, von der sie nur noch einen Kilometer entfernt waren, bemerkt und stürmten jetzt in gestrecktem Galopp darauf zu. Wenn sie diese aber noch vor der gurgelnden Flutwelle hinter ihnen erreichten, was würde das Schicksal der Flüchtlinge sein, die sich seit gestern unter den Bäumen des Hügels geborgen hatten?
    Der flüssige Berg, eine wirkliche Sturmflutwoge oder eine Reihe schäumender Wasserschwalle von unwiderstehlicher Gewalt, lief aber doch noch schneller, so schnell, daß ihm auch die flüchtigen Pferde nicht vorauskommen konnten.
    Dem Kapitän und seinen Gefährten bot sich jetzt ein entsetzliches Schauspiel: an die hundert Männer, die von dem Schaume der riesigen Flutwelle ereilt wurden, so daß Roß und Reiter in wirrem Durcheinander bald verschwanden, und beim letzten Dämmerscheine sah man nur noch, wie die vielen Leichen von der Wasserflut nach dem Westen des Melrir getragen wurden.
    Und als heute die Sonne ihren Tageslauf vollendete, da versank sie unter einem weit entfernten Meereshorizonte.
    Welch furchtbare Nacht für die Flüchtlinge! Waren sie auch einem Überfalle durch die Raubtiere und dann einem Zusammentreffen mit den Tuaregs glücklich entgangen, so konnten sie doch befürchten, daß das Wasser auch noch den höchsten Punkt ihres Zufluchtsortes erreichen möchte.
    Dennoch war es unmöglich, diesen zu verlassen, und mit Schrecken hörten sie in der tiefen Finsternis das Wasser immer höher steigen, das brandend an den kleinen Hügel schlug.
    Wer könnte sie sich ganz ausmalen, die furchtbaren Stunden dieser Nacht, wo das Herandonnern der vom scharfen Ostwind getriebenen Wogen keinen Augenblick verstummte! Und dazu das Gekreisch zahlloser Seevögel, die jetzt über der Fläche des Melrir umherflatterten!
    Endlich wurde es doch wieder Tag. Die Flut hatte den Gipfel der Zufluchtsstätte nicht erreicht, und sie schien, während das Schott bis zum Überströmen sie gefüllt hatte, auf dem höchsten Stand angekommen zu sein.
    Doch jetzt war nichts zu erblicken, was über die flüssige Ebene emporgeragt hätte.
    Die Lage der Flüchtlinge erschien verzweifelt. An Nahrungsmitteln besaßen sie nichts mehr, als was vielleicht für diesen Tag genügte, und doch hatten sie keine Möglichkeit, sich auf dem unfrüchtbaren Eilande neue zu verschaffen. Fliehen… auf welche Weise?… Sollten sie aus den Bäumen ein Floß herstellen und sich darauf einschiffen?… Ja, wie aber die Bäume fällen?… Und wie sollten sie überdies ein solches Floß steuern, ohne daß es bei dem heftigen Winde von den Strömungen, gegen die nicht aufzukommen war, irgendwo hinaus auf den Melrir verschlagen würde?
    »Es wird sehr schwierig sein, uns aus dieser Lage zu retten, sagte der Kapitän Hardigan, nachdem er die Blicke hatte über das ganze Schott hin schweifen lassen.
    – O, Herr Kapitän, antwortete der Brigadier Pistache, wenn wir aber Hilfe bekämen?… Man weiß doch niemals…«
    Der Tag verging ohne eine Änderung der Sachlage. Das Melrir war zu einem See geworden und das Rharsa jedenfalls auch. Und wie weit mochte sich wohl die Überschwemmung erstrecken, wenn etwa die Böschungen des Kanals in ihrer ganzen Länge zerstört worden waren?
    Nefta und andre Flecken konnten ja der Vernichtung
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