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Der Einbruch des Meeres

Der Einbruch des Meeres

Titel: Der Einbruch des Meeres
Autoren: Jules Verne
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zurückgelegt hatten, waren die Flüchtlinge nur vier bis fünf Kilometer vorwärts gekommen. Um einmal auszuruhen und etwas zu essen, mußte jetzt aber unbedingt Halt gemacht werden. Nirgends war eine Oase, ein Gehölz, nicht einmal eine Baumgruppe zu erblicken. Nur eine leichte Bodenwelle unterbrach einige hundert Schritt von ihnen die Eintönigkeit der trostlosen Ebene.
    »Wir haben leider keine andre Wahl,« sagte der Kapitän Hardigan.
    Alle begaben sich noch nach der niedrigen Düne und setzten sich an der Seite von ihr nieder, wo sie gegen die Sonnenstrahlen einigermaßen geschützt waren. Jeder brachte nun ein Stück Fleisch aus der Tasche, vergeblich sachte der Brigadier aber nach einem »Ras«, aus dem ein wenig Trinkwasser zu schöpfen wäre. Kein Oued schlängelte sich durch diesen Teil des Melrir, und so konnten alle ihren Durst nur mit einigen, am vorigen Lagerplatze gepflückten Datteln stillen.
    Gegen halb ein Uhr wurde der Marsch wieder aufgenommen und ging nun ohne größre Anstrengung und Schwierigkeit weiter. Soweit es möglich war, suchte der Kapitän, der sich nach dem Stande der Sonne richtete, immer genau die Richtung nach Osten einzuhalten. Fast jeden Augenblick sank er aber mit den Füßen in den Sand ein. Die Bodensenke zeigte hier nur einen geringen Fall, und wenn sie einst mit Wasser gefüllt war, mußte das Schott seine größte Tiefe – etwa dreißig Meter unter der Meeresoberfläche – zwischen dem Henguiz und der Kanalmündung haben.
    Der Ingenieur hatte eine diesbezügliche Bemerkung gemacht, und setzte noch hinzu:
    »Es wundert mich gar nicht, daß der Boden an dieser Seite noch beweglicher ist als anderswo. In der Regenzeit nehmen diese tiefen Stellen alles Wasser aus dem Melrir auf, und sie können deshalb nie ordentlich fest werden.
    – Für uns ist es nur schlimm, daß wir sie nicht vermeiden können, antwortete der Kapitän. Doch wenn wir uns weiter nordwärts wendeten oder weiter nach Süden ohne die sichre Aussicht gingen, dort einen bessern Weg zu finden, so wäre das nur Zeitvergeudung, und wir haben keinen Tag zu verlieren. Die jetzt eingehaltene Richtung weist nach dem nächsten Punkte, den wir zu erreichen trachten müssen; es ist ratsamer, sie nicht zu verändern.
    – Gewiß nicht, erklärte von Schaller, und um so weniger, als Hadjar und seine Bande, wenn sie sich nach dem Kilometerstein dreihundertsiebenundvierzig begaben, diesem Weg nicht gefolgt sind.«
    In der Tat war hier keine Spur von dem Vorüberkommen der Reiter zu entdecken.
    Doch welch mühsamer Marsch, und wie langsam ging er von statten! Wie schwierig war es, sich auf gangbarem Wege zu erhalten! Der vorauslaufende Coupe-à-Coeur kehrte allemal von selbst um, wenn er die weiße Kruste nachgeben fühlte. Dann hieß es anhalten, das Terrain untersuchen, nach links oder rechts, manchmal um fünfzig Meter abweichen, und damit entstanden natürlich viele ärgerliche Umwege. Unter diesen mißlichen Umständen betrug die zweite Etappe denn auch nur anderthalb Lieue. Am Abend mußte die tieferschöpfte kleine Truppe Halt machen, und wenn sie sich dazu auch nicht unbedingt gezwungen sah, wie wäre es möglich gewesen, den Marsch in finstrer Nacht fortzusetzen?
    Die fünfte Nachmittagsstunde war herangekommen. Der Kapitän Hardigan sah, daß sich seine Gefährten nicht mehr weiter fortschleppen konnten. Die eben erreichte Stelle eignete sich zu einem Lagerplatze für die Nacht freilich nicht. Ringsum die flache Ebene. Kein Erdhaufen, sich ein wenig anlehnen zu können. Kein Ras, daraus etwas trinkbares Wasser zu schöpfen. Nicht einmal ein Bündel Driß in diesen Bodensenken, diesen »Hoffra«, die nur Salzkristalle tragen. Einzelne Vögel zogen schnellen Flugs über die todesöde Gegend; sie strebten jedenfalls der nächsten, von hier gewiß mehrere Lieues entfernten Oase zu, die zu erreichen den Flüchtlingen unmöglich gewesen wäre.
     

    François sank bis zur Hälfte des Körpers ein. (S. 211.)
     
    Da trat plötzlich der Brigadier an den Offizier heran und sagte:
    »Herr Kapitän, mit aller Achtung vor Ihren Bestimmungen, ich meine aber doch, wir könnten etwas bessres tun, als an dieser Stelle zu übernachten, die vielleicht sogar die Hunde von Tuaregs verschmähen würden.
    – Nun, was denn andres, Brigadier?
    – Sehen Sie einmal dorthin… ich glaube mich nicht zu täuschen. Sieht es nicht aus wie eine Düne mit einigen Bäumen darauf, was sich da draußen erhebt?«
    Die Hand nach Nordosten
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