Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Einbruch des Meeres

Der Einbruch des Meeres

Titel: Der Einbruch des Meeres
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
ausgestreckt, wies Pistache nach einem, höchstens drei Kilometer entfernten Punkte des Schotts.
    Alle sahen in dieser Richtung hin. Der Brigadier täuschte sich nicht. Da draußen erhob sich einer jener kleinen Hügel mit einzelnen Bäumen, ein »Tell« mit vier oder fünf hochstämmigen Palmen… in der Gegend hier ein unerwarteter Anblick. Konnten der Kapitän Hardigan und seine Gefährten diesen Hügel noch erreichen, so bot sich ihnen dort jedenfalls ein bequemerer Lagerplatz für die Nacht.
    »Ja, dorthin müssen wir gehen… um jeden Preis! erklärte der Offizier.
    – Um so mehr, setzte von Schaller hinzu, als wir damit nicht weit von unserm Wege abkommen.
    – Und wer weiß überdies, sagte der Brigadier, ob von jener Stelle aus der Boden des Schotts für unsre geplagten ‘Untertanen’ (Füße) nicht besser ist.
    – Also auf, liebe Leute, auf zu einer letzten Anstrengung!« rief Kapitän Hardigan.
    Alle folgten seiner Aufforderung.
    Wenn der Erdboden jenseits des Tell, wie Pistache hoffnungsfroh vermutete, mehr anstieg, wenn die Flüchtlinge da einen festen Untergrund finden sollten, so traf das wenigstens für die letzte Stunde des heutigen Marsches nicht zu.
    »Bis dorthin komme ich in meinem ganzen Leben nicht, jammerte François.
    – O doch… wenn ich euch führe!« antwortete der gefällige Brigadier.
    Kaum waren zwei Kilometer zurückgelegt, als die Sonne sich schon zum Verschwinden anschickte. Der im ersten Viertel stehende Mond mußte ihr bald nachfolgen und sich hinter dem Horizonte verbergen. An die unter dieser Breite schon recht kurze Dämmerung schloß sich dann eine tiefe Finsternis an. Hier galt es also, die letzten, einigermaßen hellen Minuten zu benutzen, das Tell zu erreichen.
    Der Kapitän Hardigan, Herr von Schaller, der Brigadier, François und die beiden Spahis marschierten gemessenen Schrittes dahin. Der Boden wurde immer schlechter. Seine Kruste brach zuweilen unter dem Fuße, und dann glänzte der Sand herauf, aus dem das darin enthaltene Wasser hervorquoll. Manchmal geriet man bis aus Knie in das halbflüssige Gemisch, und es kostete Mühe, sich daraus wieder zu befreien.
    Ja einmal sank François, der sich zu weit vom Wege entfernt hatte, bis zur Hälfte des Körpers ein, und er wäre in einem dieser Löcher, der schon erwähnten »Augen des Meeres«, gewiß ganz versunken, wenn er nicht unwillkürlich die Arme ausgestreckt hätte.
    »Zu Hilfe! Zu Hilfe! rief er, verzweifelnd um sich schlagend.
    – Aushalten!… Aushalten!« rief seinerseits Pistache.
    Und da der Brigadier etwas voraus war, kehrte er schnell um, dem Versinkenden zu helfen. Alle machten in demselben Augenblicke Halt. Dem Bigadier war schon Coupe-à-Coeur vorausgeeilt, der mit einigen mächtigen Sprüngen an der Seite des »Herrn« François war, von dem nur noch der Kopf und die Arme aus der Versenkung herausragten, und der sich sofort krampfhaft an den Hals des kräftigen Tieres klammerte.
    Endlich kam der wackre Mann, freilich ganz durchnäßt und mit Mergelschlamm bedeckt, wieder aus dem Loche heraus.
    Obgleich es jetzt nicht gerade die passende Zeit zum Scherzen war, sagte Pistache doch zu ihm:
    »O, Sie brauchten sich nicht zu ängstigen, Herr François, und wenn Coupe-à-Coeur mir nicht zuvorgekommen wäre, hätte ich Sie an nichts anderm als an Ihrem Barte herausgezogen.«
    Wie der Marsch oder richtiger die Rutschpartie noch eine Stunde lang auf dieser Outta weiterging. darüber konnten die Flüchtlinge sich selbst kaum Rechenschaft geben. Sie konnten kaum einen Schritt tun ohne die Gefahr, bis zum halben Leibe einzusinken. So krochen sie, einer dicht neben dem andern, mehr auf dem Sande hin, um einander im Notfalle unterstützen zu können. Gerade in diesem Teile der Niederung fiel der Erdboden immer mehr ab; er bildete gleichsam ein großes Becken, worin sich das Wasser der Ras sammelte, die von dem hydrographischen Netze des Schotts gespeist wurden.
    Hier winkte nur eine einzige Aussicht auf Rettung: das vom Brigadier Pistache entdeckte Tell mußte auf jeden Fall erreicht werden. Dort war der Erdboden unzweifelhaft fester bis hinauf zu den Bäumen, die den Rücken der Erhöhung krönten, und damit war den Wandrern jede gewünschte Sicherheit für die Nacht gewährleistet.
    In der Dunkelheit war es nun sehr schwierig, den Weg richtig einzuhalten, denn das Tell konnte man überhaupt kaum noch sehen; niemand wußte anzugeben, ob sie sich mehr nach rechts oder nach links wenden sollten.
    Jetzt wanderten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher