Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Einbruch des Meeres

Der Einbruch des Meeres

Titel: Der Einbruch des Meeres
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
so mächtigen und auch durch deren Auswanderung nicht verminderten Einfluß der leiblichen Mutter. War die Frau, nachdem sie ihren Sohn zur Empörung getrieben hatte, denn nicht imstande, eine neue Revolte anzuzetteln, entweder um den Gefangenen zu befreien oder ihn wenigstens zu rächen, wenn das Kriegsgericht ihn in den Tod schickte?… Gewiß war das zu befürchten, denn alle Stämme würden sich auf ihren Ruf erheben und ihr auf dein Wege zum heiligen Kriege folgen. Schon hatte man ja wiederholt fruchtlose Versuche unternommen, sich ihrer zu bemächtigen… ergebnislos hatten Soldatenabteilungen das Gebiet der Sebkhas und der Schotts durchstreift. Von ihren Stammesgenossen und allen andern beschützt, war es Djemma bisher stets gelungen, allen Versuchen, nach dem Sohne auch die Mutter einzufangen, glücklich zu entgehen.
    Und doch war sie jetzt wieder nach dieser Oase gekommen, wo ihr so viele Gefahren drohten. Sie hatte die Stammesgenossen begleiten wollen, die in Gabes zusammengekommen waren, die Entführung zu bewerkstelligen. Gelang es Hadjar, die Aufmerksamkeit seiner Wächter abzulenken, und konnte er die Mauern des Bordj übersteigen, so wollte sich seine Mutter mit ihm zunächst wieder nach dem Marabout begeben, und einen Kilometer weiter draußen in einem dichten Palmenhaine standen für den Flüchtling Pferde bereit. Das war dann die wiedergewonnene Freiheit, stellte aber auch einen neuen Versuch der Auflehnung gegen die französische Herrschaft in Aussicht.
    Weiter… weiter führte der Weg… Da und dort standen Gruppen von Franzosen und Arabern; keiner ahnte aber unter dem Haïk, der sie bedeckte, die Mutter Hadjars. Zuweilen kam auch von Ahmet ein leiser Warnungsruf, und alle drei verbargen sich dann an einer dunklern Stelle, hinter einer vereinzelten Hütte oder unter dem Laubdache von Bäumen, und nahmen ihren Weg erst wieder auf, wenn dieser frei war.
    Da, als sie nur noch drei bis vier Schritte von dem vereinbarten Treffpunkte entfernt waren, sprang ihnen plötzlich ein Tuareg entgegen, der sie erwartet zu haben schien.
    Die Straße oder der Weg, der schräg nach dem Bordj hinaufführte, war jetzt menschenleer, und wenn sie diesem wenige Minuten folgten, brauchten sie nur ein schmales Seitengäßchen hinauszugehen, um den Gourbi, das Ziel Djemmas und ihrer Begleiter, zu erreichen.
    Der Tuareg stand dicht vor Ahmet, den er mit einer Handbewegung aufhielt.
    »Nicht weiter… nicht weiter! flüsterte er.
    – Was gibt es, Horeb? fragte Ahmet, der in ihm einen Tuareg von seiner Sippe erkannte.
    – Unsre Genossen sind nicht mehr im Gourbi.«
    Die alte Mutter war stehen geblieben.
    »Sollten die Hunde von Rumihs schon etwas gemerkt haben? fragte sie Horeb mit ängstlicher, zornerfüllter Stimme.
    – Nein, Djemma, versicherte Horeb. Auch die Wächter im Bordj haben keinerlei Verdacht…
    – Warum sind unsre Genossen dann nicht mehr im Gourbi?
    – Weil dienstfreie Soldaten dahin kamen, die zu trinken verlangten, und wir wollten mit ihnen natürlich nicht zusammenbleiben. Da war auch der Spahi-Unteroffizier Nicol dabei, der euch kennt, Djemma.
    – Ja, murmelte diese. Er hat mich da draußen… im Douar gesehen, als mein Sohn seinem Kapitän in die Hände fiel. Ha, dieser Kapitän! Wenn der jemals…«
     

    Das auf beiden Seiten des Oued liegende Djara. (S. 13.)
     
    Und der Brust der Frau, der Mutter des gefangenen Hadjar, entrang sich’s drohend, wie das drohende Murren eines Raubtieres.
    »Wo treffen wir nun unsre Genossen? fragte Ahmet.
    – Kommt nur mit mir,« antwortete Horeb.
    Vorausgehend betrat er einen kleinen Palmenhain, der in der Richtung nach dem Fort lag.
    Das jetzt verlassene Gehölz war nur an den Tagen mehr belebt, wo in Gabes großer Markt abgehalten wurde. Höchstwahrscheinlich traf man hier niemand bis ganz nahe am Bordj, in den einzudringen übrigens unmöglich war. Genoß die Besatzung heute auch ihren Sonntagsurlaub, so hätte man daraus doch nicht schließen dürfen, daß die Wachtposten unbesetzt wären. Eine besonders strenge Überwachung erschien ja nötig, solange der Rebelle Hadjar sich als Gefangener im Fort befand und solange er noch nicht auf den Kreuzer übergeführt war, der ihn ans Kriegsgericht ausliefern sollte.
    Die kleine Gruppe zog, von den Bäumen geschützt, weiter und erreichte bald die Grenze des Palmenwäldchens.
    Hier lag ein Haufen etwa von zwanzig Hütten, aus denen da und dort ein Lichtschein herausblitzte. Von hier aus war es bis zu dem Orte des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher