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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman
Autoren: Heyne
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zusammen und versuchte das Gleichgewicht zu halten.
    »Ich kann nicht«, rief sie. »Ich hab einen Gefangenen.«
    »Lassen Sie ihn!«
    Der fremde Mann auf der Treppe sprang neben sie, nahm ihr die MP-5 ab und schob ein neues Magazin hinein. Er hatte keine Schwierigkeiten, das leere gegen das volle Magazin auszutauschen, obwohl es dunkel war. Dann ging er zur Treppe und richtete die Waffe auf mögliche heraufkommende Angreifer. Drei weitere Granaten detonierten kurz hintereinander, der Lärm der automatischen Waffen wurde unerträglich.
    Caitlin merkte, wie sie den Boden unter den Füßen verlor und ins Dunkel glitt.

50
    Seattle, Washington
    Kein zivilisierter Mensch sollte um diese Zeit wach sein, dachte Jed Culver, als er in seinem abgedunkelten Büro auf sein letztes Zusammentreffen des Abends wartete. Jedenfalls nicht ohne eine gute Flasche Champagner in der einen Hand und ein paar exotische Tänzerinnen an der anderen.
    Er hielt sich vom Fenster fern, mehr aus Gewohnheit, aber draußen war ohnehin nicht viel zu sehen.
    Das Stadtzentrum war dunkel bis auf einige wenige Gebäude, die durch Generatoren mit Strom versorgt wurden, eins davon war das Hotel, in dem er wohnte, es lag ein paar Straßen südlich von ihm. Dort dürfte der endlose Kongress immer noch im Gang sein. Seine Delegierten - für ihn waren es jetzt »seine« Delegierten - telefonierten und zählten Verbündete, um zu verhindern, dass sie bei der Abstimmung am nächsten Morgen eine Niederlage erlitten.
    Aber sie würden eine Niederlage erleiden.
    Jed Culver hatte genügend Erfahrung mit solchen Abstimmungen, um zu wissen, wann eine Situation hoffnungslos war. Die Putschisten würden ihre Änderungsanträge durchbekommen. Sie würden die Regierung der Vereinigten Staaten in so etwas Ähnliches wie eine Junta in einem Land der Dritten Welt umfunktionieren. Er schüttelte den Kopf, als er über seine eigene Unfähigkeit nachdachte. Das hätte er vorhersehen und es mit einem Gegenkonzept verhindern müssen. Im Rückblick konnte er seine Schwäche durchaus verstehen. Er war so sehr mit seinen
eigenen Dingen befasst gewesen, dass er sich nicht in die tiefsitzenden Ängste derjenigen hineinversetzen konnte, die hier in einer ganz anderen Situation steckten als die Amerikaner auf Hawaii. Das war alles durchaus verständlich. In Hawaii befand man sich nicht in Sichtweite der Energiewelle. Dort hatte man nicht ständig das Gefühl, von einer Sekunde zur anderen vernichtet zu werden.
    Das hätte er bedenken müssen.
    »In den Angelegenheiten des Menschen«, murmelte er vor sich hin, »gibt es so etwas wie Gezeiten. Wenn man mit der Flut gehen kann, hat man Glück. Wenn man Pech hat, steht man gegen den Strom und erntet im Leben nur Misserfolge und Leid.«
    »Was meinst du damit, Jed?«
    Culver drehte sich um und erkannte zu seiner Überraschung die Umrisse eines dünnen Mannes in der Tür. Hinter ihm tauchten zwei größere Männer auf, ganz offensichtlich seine Leibwächter. Sie hielten diskret Abstand.
    »Die alten Dichter, Bill«, sagte Culver. »Immer wenn es schwierig wird und finster aussieht, hilft es, sich an ihre Worte zu erinnern.«
    Bill zuckte mit den Schultern.
    »Ich spiele lieber Bridge. Golf ist auch nicht schlecht. Aber natürlich nicht um diese Zeit.«
    »Nein«, stimmte Culver zu. Er hatte nicht mit so jemandem gerechnet. Die anderen, mit denen er sich heute am späten Abend getroffen hatte, waren unbekannte Menschen gewesen. Stille Männer und Frauen.
    »Also … äh …«
    Der Mann lachte nervös vor sich hin.
    »Ich hab Sie ziemlich verblüfft, nicht wahr? Mich haben Sie nicht erwartet.«
    Culver nickte.
    »Stimmt, ich habe jemanden erwartet, der in der Hierarchie weiter unten angesiedelt ist.«

    »Jemanden, aus dem man noch was machen könnte?« »So in der Art.«
    Der Mann trat ein, seine Leibwächter blieben draußen stehen.
    »Das ist sehr wichtig, Jed. In dieses Unternehmen habe ich eine Menge investiert. Das haben wir alle getan. Wenn es schiefgeht, sind wir alle erledigt. Wenn wir es schaffen, werden die Menschen vielleicht noch in hundert Jahren von uns sprechen. Falls dann noch jemand übrig ist.«
    Culver zuckte mit den Schultern. »An Sie wird man sich sowieso erinnern.«
    »Aber nicht für eine so bedeutende Sache. Hier geht es um etwas, das später auf Historienschinken verewigt wird. So wie der Ritt von Paul Revere. Eine große Sache.«
    Culver konnte dem nicht widersprechen.
    »Sie haben Ihr Handy dabei, stimmt’s?«,
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