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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman
Autoren: Heyne
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überrascht worden war.
    Sie würde sicherlich nicht in den Raum eindringen können, ohne dass er die Gelegenheit hatte, ein halbes Magazin leerzuschießen.
    Sie entschied, dass es besser war, ihn einfach da zu lassen, wo er war.
    Caitlin zog den Fiberglasdraht aus dem Schlüsselloch und wartete dreißig Sekunden lang. Kein Geräusch war zu hören, er bewegte sich nicht.
    Das war interessant. Ganz offensichtlich war der Mann kein Amateur.
    Aber er war auch nicht unbedingt ein Verbündeter. Sie schlich leise davon und erreichte die Treppe, wo sie sich aufrichtete, horchte und sich bemühte, ein Gefühl für das Haus zu bekommen. Es schien bewohnt zu sein, aber das war keine besondere Erkenntnis. Sie wusste ja, dass sich jemand in den unteren Etagen befand. Sie wusste nur nicht genau, wo ihre Zielpersonen waren.
    Draußen gingen die Gefechte weiter, ein Düsenflugzeug flog mit laut heulenden Triebwerken vorbei.
    Das Haus erzitterte von den Erschütterungen der Detonationen, die sich in ungefähr einem Kilometer Entfernung ereigneten.
    Ein Radio spielte arabische Musik.
    Schnarchen. Leises Murmeln wie von jemandem, der im Schlaf redete.
    Das Klimpern von Glas oder Porzellan.
    Leises Lachen.
    Ein Klingeln in ihren Ohren, das schon seit zwei Wochen da war.
    Ihr Puls und ihr Herzschlag.
    Sie spürte den Tumor, der in ihrem Gehirn wuchs.
    Caitlin huschte die Treppe hinunter, wobei sie eine Technik benutzte, die sie bei Harunaka Hoshino, ihrem Ninjutsu-Meister,
gelernt hatte. Sie konnte sich leise wie eine Nachtigall über knarrende Holzdielen bewegen - ohne zu zwitschern. Die Treppe dieses alten französischen Hauses war keine große Herausforderung für sie.
    Auf der vorletzten Treppenstufe hielt sie an. Im Haus war es dunkel, die Stromversorgung war schon lange zusammengebrochen, aber mit ihrer Nachtsichtbrille konnte sie einen dünnen, flackernden Lichtschein unter zwei der vier Türen auf diesem Stockwerk ausmachen. Sie erstarrte, stand wie versteinert da und ließ alle Sinneseindrücke auf sich einwirken.
    Der Geruch nach erkaltetem Essen. Und Kaffee.
    Ein Körper hob sich und rollte über den Boden, erhob sich und fiel wieder zurück.
    Ein Tuch oder eine Decke raschelte.
    Eine Uhr tickte.
    In einem der erleuchteten Zimmer wurde eine Seite umgeblättert.
    Auf Caitlins Haut sträuben sich sämtliche Haare.
    Sie huschte den Flur entlang auf die Tür zu, hinter der, wie sie wusste, mindestens ein Mann verborgen war, der las. Wieder erstarrte sie und ließ ihre Umgebung auf sich wirken. Sie atmete ganz sachte, ihr Herz schlug verhalten.
    Wieder wurde eine Seite umgeschlagen. Eine Stimme im gleichen Raum murmelte etwas auf Arabisch.
    »O ihr, die ihr glaubt! Wenn ihr den Ungläubigen auf dem Schlachtfeld gegenübersteht, dann wendet ihnen niemals den Rücken zu. Wenn einer von euch ihnen den Rücken zuwendet - es sei denn, aus strategischen Gründen, oder um die eigenen Truppen zurückzuziehen -, wird er den Zorn Allahs auf sich ziehen, und er wird für immer in der Hölle schmoren.«
    Caitlin stellte sich das Innere des Raums jenseits der Tür vor. Ein einziges Schlafzimmer, das früher womöglich ein
Kinderzimmer gewesen war. Ein Fenster, das zur Straße ging. Keine Verbindungstür in ein anderes Zimmer.
    Sie untersuchte den Türgriff. Es war ein altmodischer Messingknauf ohne Schlüsselloch.
    Auf der anderen Seite konnte eventuell ein Riegel sein, aber das war nicht mit Sicherheit festzustellen.
    Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
    Caitlin steckte ihr Messer zurück.
    Schaltete die Nachtsichtbrille aus und schob sie sich in die Stirn.
    Sie wartete.
    Das Murmeln und Seitenumdrehen ging weiter.
    Sie stand sechs Minuten lang bewegungslos da und wartete auf die günstige Gelegenheit.
    Ein weiteres Flugzeug flog donnernd über das Haus hinweg.
    Als das Heulen seine größtmögliche Intensität erreicht hatte, griff sie ganz ruhig nach dem Knauf und öffnete die Tür. Vor sich sah sie einen Mann, jung und mit nacktem Oberkörper, der auf einem schmalen Bett saß und gegen ein Kissen gelehnt in einem Buch las. Er schaute auf, unschuldig und erstaunt, als sie ihre Pistole mit Schalldämpfer anhob und zweimal abdrückte.
    Zweimal ertönte ein leises Klacken, als würde man einen Tacker betätigen, und dann sausten die beiden Kugeln der extra leisen Kaliber-300-Munition mit einer Geschwindigkeit von über 300 Metern in der Sekunde auf ihn zu und wurden nur unbedeutend abgebremst, als sie seine Gehirnschale
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