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Der Dunkle Turm 7 - Der Turm

Titel: Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
Autoren: King Stephen
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wieder daran zu erinnern, woran er damals gedacht hatte, während seine Finger zu ihrer glitschig-süßen Spalte hinunterglitten: Wie es gewesen war, frisch aus dem Babybad zu kommen und die Hände seiner Mutter auf sich zu spüren.
    Er begann steif zu werden, und Roland flüchtete angstvoll aus diesem Raum.
     
     
    6
     
    Nun gab es kein rötliches Licht mehr, das seinen Weg erhellte, nur noch das unheimliche blaue Leuchten der Fenster – Glasaugen, die lebten, Glasaugen, die den unbewaffneten Eindringling beobachteten. Außerhalb des Dunklen Turms hatten die Rosen auf dem Can’-Ka No Rey sich für eine weitere Nacht geschlossen. Ein Teil seines Ichs staunte darüber, dass er überhaupt hier war; dass er sämtliche Hindernisse, die sich vor ihm aufgetürmt hatten, nacheinander überwunden hatte – so erschreckend zielstrebig wie eh und je. Ich bin wie einer dieser Roboter des Alten Volkes, dachte er. Einer, der den Auftrag, für den er bestimmt ist, ausführt oder sich bei dem Versuch, es zu tun, aufreibt.
    Ein anderer Teil seines Ichs war jedoch keineswegs überrascht. Dies war der Teil, der träumte, wie es auch die Balken tun mussten, und dieses dunklere Ich bestand darauf, er sei schon einmal hier gewesen, er sehe diese Räume nicht zum ersten Mal. Er dachte wieder an das Horn, das Cuthbert aus den Fingern geglitten war – Cuthbert, der lachend in den Tod gegangen war. An das Horn, das vielleicht bis zum heutigen Tage dort lag, wo es am Jericho Hill auf den felsigen Boden gefallen war.
    Natürlich habe ich diese Räume schon einmal gesehen! Sie erzählen schließlich mein Leben.
    Und wie sie das taten. Stockwerk für Stockwerk, Abenteuer für Abenteuer (von Tod für Tod ganz zu schweigen) erzählten die aufsteigenden Räume des Dunklen Turms Roland Deschains Leben und Suche. Jeder enthielt sein Mahnzeichen; jeder einen charakteristischen Duft. Oftmals war einem einzigen Jahr mehr als nur ein Stockwerk gewidmet, aber mindestens eines war es in jedem Fall. Und nach dem achtunddreißigsten (der nichts anderes als zweimal neunzehn war, wie ihr wohl seht), wollte er keinen weiteren mehr sehen. Dieser enthielt nämlich den verkohlten Pfahl, an den Susan Delgado gefesselt gewesen war. Er betrat den Raum nicht, betrachtete aber das Gesicht an der Wand. So viel war er ihr schuldig. Roland, ich liebe dich!, hatte Susan Delgado geschrien, und er wusste, dass das stimmte, denn es war nur ihre Liebe, die sie erkennbar machte. Aber Liebe hin oder her, letztlich war sie doch verbrannt worden.
    Dies ist eine Todesstätte, dachte er, und nicht nur hier. Alle diese Räume. Jedes Stockwerk.
    Ja, Revolvermann, flüsterte die Stimme des Turms. Aber nur, weil dein Leben sie dazu gemacht hat.
    Ab dem achtunddreißigsten Stock stieg Roland die Treppen eiliger hinauf.
     
     
    7
     
    Von außen hatte Roland die Höhe des Turms auf ungefähr hundertachtzig Meter geschätzt. Aber als er einen Blick in den hundertsten, in den zweihundertsten Raum warf, wurde ihm klar, dass er schon achtmal hundertachtzig Meter hinaufgestiegen sein musste. Bald würde er einen Punkt erreichen, den seine Freunde von der Amerika-Seite als eine Meile bezeichnet hätten. Das waren mehr Stockwerke, als es geben konnte – kein Turm konnte eine Meile hoch sein –, aber dennoch stieg er weiter, erhöhte sogar sein Tempo, bis er fast rannte, und ermüdete trotzdem nie. Einmal kam er auf die Idee, er werde das Obergeschoss nie erreichen, weil der Dunkle Turm ebenso unendlich hoch wie zeitlich ewig sei. Aber nachdem er einen Augenblick darüber nachgedacht hatte, verwarf er diesen Gedanken wieder, erzählte der Turm doch sein Leben, und obwohl dieses Leben gewiss lang gewesen war, war es keineswegs ewig gewesen. Und wie es einen Anfang gehabt hatte (durch die Zedernholzklammer mit der blauen Seidenschleife bezeichnet), würde es auch ein Ende haben.
    Vermutlich sogar bald.
    Das Licht, das er hinter seinen Augen ahnte, war jetzt heller, schien weniger blau zu sein. Er kam an einem Raum mit Zoltan, dem zahmen Raben aus der Hütte des Grenzbewohners, vorbei. Er kam an einem Raum vorbei, der die atombetriebene Pumpe aus der Zwischenstation enthielt. Er stieg weitere Stufen hinauf, blieb kurz an der Tür eines Raums stehen, in dem ein verendeter Monsterhummer lag, und merkte, dass das Licht, das er ahnte, viel heller und überhaupt nicht mehr blau war.
    Es war …
    Er wusste ziemlich sicher, dass es …
    Es war Sonnenlicht. Die Abenddämmerung mochte schon vorüber
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