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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron
Autoren: Rebecca Gablé
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Gloucester und Worcester – der seine Schäfchen 1553 aufgerufen hatte, für Mary zu den Waffen zu greifen –, brannte eine Dreiviertelstunde lang, weil das Säckchen ebenso wie das Holz feucht war.
    Es war nicht Mary, die diese barbarische Verfolgung Andersgläubiger betrieb. Aber sie hätte sie beenden können, denn sie war die Königin. Dass sie dies nicht getan hat, ist ihr größtes Versagen, und ich will das auch nicht relativieren, geschweige denn entschuldigen. Aber man kann versuchen, es zu verstehen: Allein ihre tiefe Religiosität hat es Mary ermöglicht, alle Verluste und Rückschläge zu überleben, als sie selbst aus politischen und religiösen Gründen Verfolgung ausgesetzt war. Die absolute Autorität von Papst, Bischöfen und Priestern war ein zentraler Teil ihrer Glaubensauffassung. Sie war die erste regierende Königin und widersprach damit dem Frauenbild ihrer Zeit, darum war sie dringend auf männliche Leitbilder angewiesen. Es scheint mir nicht so unbegreiflich, dass sie sie unter den kirchlichen Würdenträgern ihres Kronrats gesucht hat. Und so unglaublich es uns auch vorkommen mag: Andersgläubige zu verbrennen war im 16. Jahrhundert keine solche Ungeheuerlichkeit. Marys Vater hat es getan (immerhin 81 Mal, allerdings verteilt auf 38 Regierungsjahre). Ihre Großmutter Isabella, die sie so bewunderte, hat es getan und jeden Juden in ihrem Machtbereich verbrannt, der nicht rechtzeitig das Land verließ. Überall in Europa loderten die Scheiterhaufen. Das Verbrennen von »Ketzern« und »Hexen«, das immer so gern dem angeblich finsteren Mittelalter angelastet wird, wurde in Wirklichkeit erst in der Renaissance zum alltäglichen Vorkommnis, in der Epoche von Reformation und Gegenreformation.
    Hinter dem Grauen dieser 283 Scheiterhaufen ist leider alles in Vergessenheit geraten, was Mary im positiven Sinne geleistet hat. Wie Sie sich denken können, war sie eine enorm fleißige und pflichterfüllte Königin, und sie hinterließ ein geordneteres England, als sie bekommen hatte. Sie bewies einer männerdominierten Welt, dass eine Regierung auch unter der Führung einer Frau funktionieren konnte. Sie legte den Pfad an, dem ihre Schwester folgen konnte, und machte all die Fehler, die ihre Nachfolgerin dann sorgsam vermeiden konnte. Einer ihrer Biographen hat geschrieben: »Ohne Marys Scheitern wäre Elizabeths Erfolg undenkbar gewesen.«
    Das ist ein wahres Wort.
    Mein Anliegen in diesem Roman war, zu zeigen, wie Mary geworden ist, was sie war, und die Ereignisse einmal aus ihrer Perspektive zu erzählen. Denn Marys Ruf ist auch deswegen so miserabel, weil es die – letztlich siegreichen – Protestanten waren, die jahrhundertelang die Geschichtsschreibung prägten.
    Und dies ist vielleicht genau die richtige Stelle in diesem Nachwort, um darauf hinzuweisen, dass die in diesem Roman ausgedrückten religiösen Überzeugungen die der Romanfiguren sind und nicht meine. Nicholas of Waringham musste Katholik bleiben und dem Protestantismus kritisch gegenüberstehen, damit diese Geschichte funktionieren konnte. Das heißt aber nicht, dass seine Wertung in Wahrheit die meine ist. Gleiches gilt für Aussagen über Frauen und alle weiteren heißen Eisen. Das musste mal gesagt werden, denn in diesem Punkt kommt es gelegentlich zu Missverständnissen.
    Das bringt uns zur Rubrik »Wahr und Unwahr«.
    Was ist wirklich passiert, und was habe ich hinzugedichtet? Erfunden sind natürlich Nicholas of Waringham, seine Familie und seine Geschichte, aber es gibt zum Glück immer weiße Flecken in der Geschichtsschreibung, wo ich meine fiktiven Helden einschmuggeln kann. So rätseln Historiker etwa bis heute, wer den Kontakt zwischen Mary und Chapuys gehalten hat, als die Prinzessin eine Gefangene im Haushalt ihrer kleinen Schwester war. Oder in der Chronik, die Marys Krönung schildert, ist eine Lücke an der Stelle, wo der Name des Adligen stehen müsste, der sie zusammen mit dem Bischof von Durham auf die Estrade geführt hat. Diese zwei Beispiele sollen genügen, um Ihnen zu veranschaulichen, wie man Historie und Fiktion vermischen kann, ohne Erstere zu korrumpieren. Oder sagen wir: ohne sie in unverantwortlicher Weise zu korrumpieren …
    Wie immer habe ich mich bemüht, meine fiktiven Figuren so zu gestalten, dass sie typisch für ihre Zeit sind. Und tatsächlich haben fast alle der wenigen alten Adelsgeschlechter, die nach den Rosenkriegen noch übrig waren, unter Henry VIII. gelitten. Womöglich hat
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