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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron
Autoren: Rebecca Gablé
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eifersüchtig, argwöhnte er. Seine Frau und die Königin würden Geheimnisse teilen, die ihm verschlossen blieben. »Aber was ist mit der Schule? Wirst du sie nicht vermissen?«
    »Fürchterlich«, gestand sie ein. »Doch vielleicht ist es an der Zeit, die Schule Millicent zu überlassen. Und selbst wenn ich wollte, wie könnte ich das Amt ablehnen, das die Königin mir anbietet?«
    Er betrachtete sie einen Moment aufmerksam und bemerkte dann lächelnd: »Du siehst mir nicht so aus, als stelle die Königin hohe Ansprüche an deine Opferbereitschaft.«
    »Nein«, räumte Janis ein. »Die Vorstellung, wie nahe ich dem Zentrum der Macht sein werde, ist schon verlockend.«
    »Nicht immer ein gemütliches Plätzchen, das Zentrum der Macht«, gab er zu bedenken.
    Sie verschränkte die Finger mit den seinen. »Wer wüsste das besser als ein Waringham.«

Westminster, Oktober 1553
    »Gentlemen, Ihr dürft jetzt eintreten«, sagte Janis feierlich und sank vor dem Bischof von Durham und ihrem Gemahl in eine formvollendete Reverence.
    Nick sah zu Cuthbert Tunstall, der sein Bischofsamt jahrzehntelang genutzt hatte, um zwischen Reformern und Papsttreuen zu vermitteln, dem alten Glauben aber immer treu geblieben war. Dafür hatte er während Edwards Regentschaft gelitten und war längere Zeit im Tower eingesperrt gewesen, obwohl sein achtzigster Geburtstag nicht mehr fern war. »Seid Ihr bereit, Exzellenz?«
    »Darauf könnt Ihr wetten, mein Junge«, antwortete Tunstall, zwinkerte ihm zu und betrat das Privatgemach der Königin im alten Palast zu Westminster.
    Nick atmete tief durch und folgte ihm dann. Kaum war er über die Schwelle getreten, blieb er schon wieder stehen.
    Mary trug ein hermelinbesetztes Kleid aus karmesinrotem Samt. Damit hatte er nicht gerechnet, denn Königinnen trugen bei ihrer Krönung traditionell Weiß. Dieses Rot hingegen war die Krönungsfarbe der Könige, und Nick lächelte anerkennend und beglückwünschte sie zu der klugen Wahl. Dieses Kleid, welches so prunkvoll und kostbar aussah mit den eingewirkten Goldfäden und dem perlenbesetzten Kragen, dass einem unweigerlich das Wort »Staatsrobe« in den Sinn kam, würde jedem, der es sah, auf einen Blick klarmachen: Mary war Königin von Gottes Gnaden und aus eigenem Recht.
    Zum ersten Mal seit jener Nacht vor beinah zwanzig Jahren in Hatfield, als Nick über den Balkon in ihr Schlafgemach geklettert war, um ihr ein wenig Mut zuzusprechen, sah er ihr Haar offen. Üppig fiel es ihr bis auf die Hüften herab, dunkelblond und matt schimmernd wie poliertes Eichenholz. Sie trug ein mit Diamanten und geschliffenen Edelsteinen besetztes Diadem. Nick wusste, es war tonnenschwer, aber die Königin hielt den Kopf hoch – scheinbar mühelos.
    »Nun?«, fragte sie eine Spur ungeduldig.
    Er nahm sich zusammen, riss sich aus der Starre der Verwunderung, in die er angesichts ihrer Verwandlung verfallen war, und sank vor ihr auf ein Knie nieder. »Sehr passend, Majestät. Ihr seht aus wie die Königin, die Ihr seid.«
    Sie lächelte. »Habt Dank, Mylord.«
    Der alte Bischof wollte neben ihm niederknien, aber Mary hielt ihn mit einer Geste davon ab und reichte ihm die Hand. »Lasst uns gehen, ehe mich der Mut verlässt und meine Untertanen nach Hause zurückkehren, weil ich sie zu lange habe warten lassen.«
    Tunstalls Lächeln war unerwartet charmant. »Auf diesen Anblick lohnt es sich zu warten, Majestät.«
    Sie führten sie hinaus in den Innenhof, wo eine wahre Heerschar von Bischöfen und Priestern sie erwartete. Auch sie trugen festliche, golddurchwirkte Messgewänder, die den Reformern ein solcher Dorn im Auge waren. Niemand war indes überrascht, dass Mary ihre Krönungszeremonie nutzen wollte, um ihre Treue zum alten Glauben zu demonstrieren. Sie hatte sich gar vom Bischof von Arras neues geheiligtes Öl für ihre Salbung schicken lassen, denn das Öl, das bei der Krönung ihres Bruders verwendet worden war, hatten die Protestanten in ihren Augen besudelt und entweiht.
    In feierlicher Prozession führten die Bischöfe sie in die einstige Klosterkirche zu Westminster, die bis auf den letzten Platz mit Lords und Ladys und mächtigen Londoner Bürgern gefüllt war. In vorderster Reihe entdeckte Nick seine Frau zwischen anderen Würdenträgern des königlichen Haushalts, und sie tauschten ein sehr verstohlenes Lächeln. Ein Stück weiter rechts stand Marys Schwester Elizabeth in einem atemberaubenden blauen Kleid, und an ihrer Seite war Anna von Kleve, die einzige
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