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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron
Autoren: Rebecca Gablé
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venezianischer Seide hatte schneidern lassen. Von der hohen Tafel aus hatte er einen guten Überblick, und ihm kam in den Sinn, dass so viel Pracht und Schönheit einen beinah blenden konnten.
    Die Gedanken der Königin schienen in die gleiche Richtung zu gehen. Sie neigte sich zu ihm herüber und murmelte: »Was Sir Thomas More wohl zu all diesem Prunk gesagt hätte?«
    Nick musste lächeln. »Über den Prunk hätte er zweifellos den Kopf geschüttelt. Aber dieser Tag hätte ihm trotzdem gefallen, seid versichert.«
    »Glaubt Ihr wirklich?«
    »Allerdings. Sir Thomas wäre ausgesprochen zufrieden gewesen, dass mit Euch eine Streiterin für den wahren Glauben den Thron bestiegen hat.«
    »Aber hätte er eine regierende Königin nicht skandalös gefunden? Einen Widerspruch zu gottgewollter Ordnung?«
    Nick schüttelte den Kopf. »Er war überzeugt, dass der Verstand einer Frau mit der richtigen Anleitung und Bildung zu ebensolchen Leistungen fähig ist wie der eines Mannes, das Herz einer Frau zu ebensolcher Beständigkeit. Oder womöglich hat er auch gesagt, zu beinah ebensolcher Beständigkeit, ich bin nicht mehr ganz sicher.«
    »Flegel«, knurrte die Königin, musste aber gleichzeitig lachen. »Eure Gemahlin muss die Geduld einer Heiligen besitzen, dass sie es mit Euch aushält.«
    »Ihr werdet ja in Zukunft selber reichlich Gelegenheit haben, die Geduld meiner Gemahlin auf die Probe zu stellen«, entgegnete er.
    »Sie sagte mir, Ihr wollt nach Santiago pilgern?«
    » Sie will«, schränkte Nick ein. »Mir würde eine Wallfahrt nach Canterbury oder Walsingham völlig reichen.«
    »Nun, was immer Ihr entscheidet, am Sonnabend nach Ostern solltet Ihr auf jeden Fall zu Hause sein, Lord Waringham.«
    »Ah ja?«, fragte er, und sein Herzschlag beschleunigte sich ein wenig. »Und wieso?«
    »Ich habe mir sagen lassen, es sei der Tag, da in Waringham traditionell ein großer Jahrmarkt und eine Pferdeauktion stattfinden. Die beste in England, heißt es.« Auf einen diskreten Wink hin brachte ein Beamter ihrer Kanzlei ihr eine zusammengerollte Urkunde, die sie neben Nick auf den Tisch legte. »Euer Marktrecht, Mylord.«
    Nick starrte auf die Tischkante hinab und musste schlucken, um an dem dicken Brocken in seiner Kehle nicht zu ersticken. »Habt Dank, Majestät. Ich glaube nicht, dass Ihr ermessen könnt, was Ihr gerade für mich getan habt.«
    »Vielleicht doch, mein Freund«, entgegnete die Königin. »Ich habe ein Unrecht wiedergutgemacht, das Eurem Vater zugefügt wurde. Willkürlich. Aufgrund von Intrigen und Lügen. Und gerade deswegen wollte ich, dass diese Urkunde die erste ist, die mit meinem neuen Siegel versehen wird.«
    »Ein neues Siegel?«, fragte er ein wenig zerstreut.
    Mary nickte. »Es trägt mein Motto. Seht selbst.«
    Nick griff nach der Urkunde und nahm das dicke rote Siegel, welches an einer gedrehten Kordel baumelte, in die Linke. Die Prägung zeigte eine inthronisierte Königin unter dem englischen Königswappen, und entlang der Rundung stand: Veritas Temporis Filia .
    »Die Wahrheit ist die Tochter der Zeit«, murmelte er. »Denkt Ihr, das stimmt? Bringt die Zeit immer die Wahrheit ans Licht?«
    »Wenn es Gottes Wille ist«, antwortete Königin Mary mit einem Lächeln. Zumindest heute, am Tag ihres großen Triumphes, konnte nichts ihre Zuversicht trüben.
    Nick erfreute sich an dem Glanz ihrer Augen, der sie mit einem Mal wieder jung wirken ließ. Sie hatte diesen Tag weiß Gott verdient, fand er, den Triumph ebenso wie die Zuversicht. Mit einem leisen Seufzer der Zufriedenheit ließ er sich in seinen Sessel zurücksinken, und sein Blick fiel auf seine Gemahlin, die mit dem Lord Chamberlain ein Stück zur Rechten am Fenster stand und offenbar hitzig debattierte. Gott helfe dem Chamberlain, dachte Nick grinsend und entdeckte Francis und Millicent an einer der unteren Tafeln inmitten einer Schar ausgelassener Freunde.
    »Majestät, wenn nächste Woche das Parlament zusammentritt, was wird Euer wichtigstes Gesetzesvorhaben sein?«, fragte er.
    »Das wisst Ihr doch genau«, gab Mary verwundert zurück. »Die Umkehr dieser gottlosen Reform.«
    »Hm«, machte der Earl of Waringham versonnen. »Glaubt Ihr, wir könnten ein Gesetz durchdrücken, welches meinem Sohn verbietet, mein armes Enkelkind Lappidot zu nennen?«
    ENDE

Nachbemerkung und Dank
    Mary I. regierte nur fünf Jahre lang, und vermutlich wissen die meisten von Ihnen, dass sie als »Bloody Mary« in die Geschichte einging.
    Ich finde, das
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