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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk
Autoren: Eric Ambler
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zurückgeschickt, eine wurde zum Palast beordert und die letzte zur Deputiertenkammer. Es war eine diplomatische Entscheidung in einer kitzligen Situation. Die vom Druck der Disziplin befreiten Soldaten hätten die neue Regierung in ziemliche Verlegenheit bringen können.
    Die Entscheidung der Truppen wurde sofort den versammelten Polizeikräften mitgeteilt, die daraufhin bekanntgaben, daß sie neutral, aber wachsam bleiben würden. Das paßte genau in Tumachins Plan, und um 4 Uhr 45 empfing er den Polizeipräsidenten. Dieser erwies sich als Mann von gesundem Menschenverstand, und er versicherte Tumachin, daß ihm bloß an der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung gelegen sei, und gestand ihm, daß er persönlich den Zielen der Bauernpartei durchaus nicht ablehnend gegenüberstehe. Taktvoll offerierte Tumachin hierauf, den Großteil der Posten von der Straße entfernen zu lassen, wenn die Polizei ihren Platz einnehmen würde. Der Polizeipräsident verließ Tumachin als Verbündeter, und die Posten wurden aus den Hauptstraßen abgezogen. Diese kluge Maßnahme verhinderte höchstwahrscheinlich blutige Auseinandersetzungen zwischen Polizei, Militär und Bauern und trug sicher zur raschen Konsolidierung der Position der Bauernpartei bei.
    Kurz nach 5 machten Tumachin und sein Bauernrat dem Staatspräsidenten ihre Aufwartung und präsentierten ihm die Rücktrittserklärung sämtlicher Minister mit Ausnahme des Premierministers, des Finanzministers und des Innenministers, der sich nun bei der belagerten Garnison in der Kaserne befand. Sie wurden im Schlafzimmer des Präsidenten empfangen. Der alte Herr, der eine jämmerliche Todesangst hatte, akzeptierte die eingereichten Rücktritte sofort und erklärte sich bereit, die widerspenstigen Minister zu entlassen. Tumachin unterbreitete ihm hierauf zwei Dokumente zur Unterzeichnung. Das erste machte Tumachin zum Oberkommandierenden der Armee, das zweite war eine Proklamation des Ausnahmezustandes. Der Präsident beeilte sich, beide Dokumente zu unterschreiben. So wurde Tumachin mit zwei Federstrichen Führer der Regierung und Herrscher des Landes bis zu den allgemeinen Wahlen und der darauf folgenden Aufhebung des Ausnahmezustandes.
    Um 8 Uhr 30 wurde überall auf den Straßen ein Extrablatt des Zovgorod Noviny verkauft. Es verkündete den Regierungswechsel und das Datum für Neuwahlen.
    Die Bevölkerung war sehr erregt, und im Verlauf des Morgens gab es einige Zwischenfälle. Etwa dreißig Personen wurden verhaftet, aber schon gegen Mittag herrschte wieder Ruhe. Das war nicht zuletzt der Tatsache zuzuschreiben, daß Noviny ein zweites Extrablatt herausgab, das eine lange Liste der von der Regierung vorgeschlagenen sofortigen Reformen enthielt, sowie eine Versicherung, daß politische Gegner nicht verfolgt würden.
    All das war schon Geschichte geworden, als ich nach 1 Uhr mittags geweckt wurde.
    Ich war ziemlich wütend über Carruthers, den Tumachin vorbeigeschickt hatte, um mich aus den Federn zu holen, und gleichzeitig auch wütend über mich selbst. Es ist schon ziemlich schlimm, eine Story zu vermasseln, aber noch schlimmer ist es, eine Story zu verschlafen. Mir war beides gelungen. Die Nachricht, daß die Verbindung mit Bukarest erst in einer Stunde wiederhergestellt sein würde, besänftigte mich nicht. Ich hätte unbedingt als Augenzeuge der Ereignisse mit dabei sein sollen. So mußte ich mich aufs Hörensagen verlassen. Die Tatsache, daß sich, seit wir kurz nach 6 Uhr nach Zovgorod zurückgekehrt waren, nichts Wichtiges ereignet hatte, fiel mir damals nicht auf.
    Carruthers, der in meinem Hotel ein Bad genommen und sich rasiert hatte, sah geisterhaft aus. Er hatte kein Auge zugetan. Er erklärte mir, daß meine Erschöpfung eine ganz natürliche Reaktion auf die Abenteuer der vergangenen Nacht gewesen sei, womit er wohl recht hatte. Zwar bin ich auch schon drei Tage und drei Nächte hinter einer Story hergewesen, ohne auch nur eine Stunde zu schlafen, aber da hatte ich ja auch nicht stündlich den Tod erwartet.
    Mein Handgelenk war, wie ich sah, sachkundig verbunden, das Pulsieren hatte aufgehört, und ich konnte, von einer gewissen Unbeholfenheit abgesehen, die Hand wieder normal gebrauchen. Plötzlich verspürte ich einen wahren Heißhunger, klingelte, und ein lächelnder Petar erschien mit einem üppigen Essen. Selbst Carruthers Pfeife, an der er kräftig sog, während er sprach, konnte mir den Appetit nicht verderben.
    Um 2 erschien Petar und meldete, daß ein
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