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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk
Autoren: Eric Ambler
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und ins Leere fiel. Wenige Sekunden später hörten wir ihn weit unten aufschlagen.
    Wir hielten mit blockierten Rädern kurz nach der Kurve, sprangen aus dem Wagen und rannten zum Rand der Straße. Zuerst sahen wir nichts, doch dann schoß aus dem Abgrund eine Stichflamme hoch. Als wir den ungefähr 18 Meter tiefen Abhang hinuntergeklettert waren, war der Mercedes nur noch eine flammende Masse. Er lag auf der Seite, eingeklemmt zwischen zwei Felsbrocken. Die Hitze war intensiv, aber wir kamen nahe genug heran, um zu sehen, daß die Gräfin nicht im Wagen war. Wir fanden sie einige Meter davon entfernt.
    Carruthers fiel neben ihr auf die Knie und hob ihren Kopf. Das Feuer des brennenden Wagens warf ein schreckliches Licht auf die Szene. Sie war sicher sofort tot gewesen. Langsam zog Carruthers ein Bündel Papiere aus der Tasche ihres Mantels und hielt sie mir hin.
    »Verbrennen Sie sie, Casey«, sagte er mit seltsam belegter Stimme.
    Ich nahm sie und ging auf den Wagen zu. Als ich fast dort war, veranlaßte mich irgend etwas, stehenzubleiben und mich umzudrehen. Carruthers, der immer noch bei der Leiche der Gräfin kniete, hatte sich Marassins Pistole an die Schläfe gesetzt. Mit ein paar Schritten war ich bei ihm, schlug ihm die Waffe aus der Hand und warf sie ins Dunkel.
    »Sind Sie nicht ganz bei Trost?«
    Er schaute mich mit tränenüberströmtem, schmerzverzerrtem Gesicht an. Dann erhob er sich mühsam. Ich gab ihm die Papiere, die er verwirrt anstarrte.
    »Sie verbrennen sie besser selber«, sagte ich.
    Mit hochgezogenen Schultern stolperte er zu dem glühenden Wagen und warf die Papiere ins Feuer. Er blieb nicht stehen, um zu sehen, wie sie verbrannten, sondern stieg wieder zur Straße hinauf. Als ich sein Gesicht im flackernden Flammenschein sah, bemerkte ich zum ersten Mal, daß er nicht mehr jung war.
     
    Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als ich wach wurde, weil der Wagen an einer Straßensperre vor Zovgorod hielt. Carruthers, der im Morgenlicht krank und mitgenommen aussah, sprach mit einem Posten, während die Straße für uns freigemacht wurde. Aus der Stadt ertönte das Knattern von Maschinengewehrfeuer. Der Posten ging weg und kam mit einigen Maisbroten zurück, die wir beim Weiterfahren kauten.
    »Wie lange habe ich denn geschlafen?« fragte ich.
    Er grinste müde. »Seit wir weggefahren sind.«
    »Weiß man schon, wie die Lage in der Stadt ist?«
    »Tumachins Leute haben sich im Regierungspalast und der Abgeordnetenkammer installiert. Die vor der Stadt stationierten Kräfte der Bauernpartei sind in Zovgorod einmarschiert und patrouillieren durch die Straßen. Alles ist gut verlaufen. Sie haben nur noch Schwierigkeiten mit der Kaserne. Die meisten der Soldaten und viele Offiziere dort sind zu den Bauern übergelaufen, als ihnen der Innenminister befahl, auf die Aufständischen zu schießen. Der Rest hält sich noch unter der Führung einiger Offiziere vom Roten Fehdehandschuh. Daher das Maschinengewehrfeuer. Aber lange werden sie die Kaserne nicht mehr halten können.«
    Ich döste weiter. Ich weiß noch, daß ich mein Zimmer im Bucharesti betrat und mich aufs Bett setzte. Die folgenden acht Stunden verschlief ich.

16. Kapitel
    22. Mai und nachher
     
    Die Ereignisse, die zum Putsch der ixanischen Jungbauern und zur neuen Regierung führten, sind zu bekannt, als daß ich sie lang und breit erzählen müßte. Eine kurze Zusammenfassung mag genügen.
    Zum besseren Verständnis ist es nötig, zu jenem Zeitpunkt zurückzukehren, als Carruthers und ich auf der morastigen Südoststraße hinter der Gräfin Schverzinsky herhetzten. Vieles in diesen frühen Morgenstunden geschah in Zovgorod, das meiste davon ging in aller Stille vor sich. Die Bürger Zovgorods gingen mit einem unbehaglichen Gefühl unter einer Regierung schlafen und wachten mit einem nicht weniger ängstlichen Gefühl unter einer anderen wieder auf.
    Der Putsch wurde präzis und wirkungsvoll durchgeführt. Die einzigen Schüsse fielen im Bezirk, wo die Kaserne stand, bevor die Republikanischen Offiziere und ihre wenigen Anhänger sich ergaben, und in der Nähe der Kirche, als eine Polizeiabteilung sich den bewaffneten Posten der Putschisten entgegenstellte.
    Punkt ein Uhr wurden alle Verbindungen zur Außenwelt abgeschnitten.
    Eine Stunde später besetzten Tumachin und der Revolutionsrat die Deputiertenkammer. Sie stießen auf keinen Widerstand. Tumachin hatte zur Vorsicht einige Dienstwagen requirieren lassen, und die
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