Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk
Autoren: Eric Ambler
Vom Netzwerk:
erwähnte.
    »Man kann schlecht schätzen, wie weit weg sie ist«, bemerkte er. »Vielleicht ist es die Entfernung, die es so langsam aussehen läßt. Aber wahrscheinlich ist, daß sie auf dieser Straße nicht schneller fahren kann. Auf jeden Fall ist sie in anderthalb Stunden an der Grenze, wenn sie schnell fährt. Vergessen Sie nicht, daß Ixanien hier am schmälsten ist. Wir müssen sie bald einholen.«
    Unterdessen fuhren wir wieder bergan, und wir konnten das Licht nicht mehr sehen. Wenn Carruthers vorher schnell gefahren war, so fuhr er jetzt wie ein Irrer. Ich schloß die Augen und hielt mich fest. Bei der nächsten Kurve hatte ich das Gefühl, als ob wir umkippen würden, und so machte ich die Augen doch besser wieder auf.
    Als wir uns zwei drei Minuten später dem Hügel näherten, bemerkte ich, daß wir einer optischen Täuschung zum Opfer gefallen waren, als wir den Mercedes gesehen hatten. Der Hügel war lange nicht so hoch, wie wir geglaubt hatten, und die Straße führte seitlich dem Abhang entlang. Die langsame schräge Bewegung der Lichter des Mercedes, die wir beobachtet hatten, war weder auf die große Distanz noch auf eine Serpentine zurückzuführen, sondern auf eine lange Haarnadelkurve. Wir hatten, gerade als der Mercedes durch diese Kurve gefahren war, den Widerschein seiner Scheinwerfer von hinten gesehen.
    Carruthers war offensichtlich zur selben Überzeugung gelangt. Ich hörte ihn murmeln: »Wir können jetzt nur noch drei Minuten hinter ihr sein.«
    Wir kamen jetzt besser voran, obschon Carruthers vorsichtig fahren mußte, um den Steinen auszuweichen, die von den Hängen heruntergerollt waren, und die nun überall auf der Straße lagen.
    Der Himmel war ein ganzes Stück heller geworden, als wir den Hügel hinter uns hatten. Vor uns lag ein Paß, tief eingeschnitten zwischen zwei hohen Berggipfeln, deren Schneekappen von einem eben hinter einer Wolkenbank hervorgetretenen blassen Mond beschienen wurden. Die Straße zum Paß führte in Serpentinen den Abhang hinunter. Der Mercedes hatte schon die Hälfte hinter sich und fuhr eben langsam um eine Kurve, und seine Scheinwerfer wiesen ins Leere. Die Abfahrt begann.
    Bergan geht es immer leichter als bergab, sei es nun zu Fuß oder mit dem Wagen. In den nächsten fünfzehn Minuten lebte ich jede Sekunde in Todesangst. Vor dem falschen Ende eines Revolvers zu stehen schien mir nun ein reines Vergnügen, verglichen mit dieser Talfahrt. Carruthers ließ den Wagen laufen, bremste heftig vor den Kurven, so daß der Wagen sie fast breitseits nahm. Einmal schien sogar ein Hinterrad über dem Abhang zu hängen, und wir schleuderten schrecklich. Aber irgendwie gelang es Carruthers, den Wagen wieder auf die Straße zurückzuzwingen, und weiter ging’s talwärts. Als wir fast unten angekommen waren, sah ich, daß uns bloß noch zwei Haarnadelkurven von der Gräfin trennten, die weniger Risiken eingegangen war als Carruthers. Nach zwei weiteren lebensgefährlichen Minuten war ihr Vorsprung auf eine Kurve zusammengeschmolzen, und ich hörte ganz deutlich die Geräusche des Auspuffs. Dann schlossen wir auf.
    Das Geräusch ihres Sportwagens hatte sie offensichtlich das des unseren überhören lassen, aber sie mußte unsere Scheinwerfer gesehen haben, denn sie fuhr jetzt schneller. Ich begriff jetzt Carruthers Tempo. Wenn sie es schaffte, auf die trockene, gerade Straße zum Paß zu gelangen, würden wir sie nicht mehr einholen können. Grooms Wagen war zwar schnell, konnte es aber auf einer Geraden mit einem Mercedes nicht aufnehmen. Nun waren wir noch zwei Kurven vor der Talsohle. Bei der ersten trennten uns noch zwanzig Meter von der Gräfin. Sie nahm die Kurve bewundernswert, aber Carruthers mit seiner Brems- und Gleittechnik nahm ihr einige Meter ab. Als wir die Gerade zur letzten Kurve hinunterrasten, zog Carruthers Marassins Pistole hervor.
    »Sobald sie um die Kurve ist«, sagte er grimmig, »zerschieße ich ihr die Hinterreifen.«
    Die beiden Wagen schossen auf die letzte Kurve zu. Es war eine scharfe Rechtskurve, die von einem Felsen überhangen wurde. Ich hörte die Bremsen des Mercedes quietschen und spürte, wie sich Carruthers gegen das Polster stemmte, als er seinerseits auf die Bremse trat. Dann sah ich, wie der Mercedes, der die Kurve schon zur Hälfte genommen hatte, ins Rutschen kam. Die Gräfin, die zu schnell gefahren war, verlor die Herrschaft über den Wagen, der die Kurve nicht mehr zu Ende fuhr, sondern über die Straße hinausrutschte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher