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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition)
Autoren: Astrid Frank
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befreien, gegen die Jagd und den Verzehr von Singvögeln zu demonstrieren und sich für den Kampf gegen die sogenannten Hundeheime einzusetzen, in denen es den Tieren oft schlechter ging, als wenn man sie auf der Straße gelassen hätte, und die nur der Profitgier der Betreiber nutzten.
    Einerseits bewunderte Maria Alessandro, weil er sich so für den Tierschutz engagierte. Andererseits hatte sie manchmal das Gefühl, dass es ihm neben seiner Tierliebe vor allem um die Action ging, die sein Protest mit sich brachte. Und außerdem fand sie, dass er manchmal etwas übertrieb. Zum Beispiel, was den Palio anging. Sie konnte beim besten Willen nicht verstehen, was an diesem Rennen so schlimm sein sollte. Misstrauisch fragte sie deshalb, während sie sich ebenfalls aus der silbernen Kanne auf dem Herd Espresso in eine Tasse füllte und diese mit viel Milch auffüllte: »Was denn für eine Aktion?«
    »Das hast du doch gehört«, brummte ihr Vater. »Eine Aktion gegen den Palio! Was spielt es da noch für eine Rolle, wie diese Aktion aussehen soll?«
    Maria und Alessandro sahen sich hinter Signore Morellis Rücken schweigend an. Sie zog die Augenbrauen hoch und er verzog die Lippen zu einem Grinsen.
    Erst im letzten Jahr, so erinnerte sich Maria, hatte Alessandro mit seiner Tierschutzorganisation eine Demonstration gegen den Palio auf die Beine gestellt. Und dafür handfeste Prügel von den Palio-Befürwortern kassiert.
    »Der Palio ist nichts weiter als ein überaltertes Relikt, das endlich abgeschafft gehört«, behauptete Alessandro jetzt. Das Grinsen auf seinen Lippen war verschwunden.
    Signore Morelli verschluckte sich fast an seinem Kaffee. »Der Palio ist Tradition!«, widersprach er. »Und ein waschechter Sienese wie du sollte das begreifen!«
    »Eine Tradition, bei der seit 1970 fast fünfzig Pferde ums Leben gekommen sind!«, ereiferte sich Alessandro.
    »Seitdem hat sich vieles getan«, behauptete Signore Morelli. »Die Schutzvorkehrungen während des Rennens werden laufend erhöht und verbessert. Und wenn sich tatsächlich mal ein Pferd verletzt, dann kommt es anschließend auf den Gnadenhof und darf dort ein gutes Leben führen.«
    » ›Wenn sich mal ein Pferd verletzt‹?« Alessandro schnaubte. »Es verletzen sich andauernd Pferde! Und ja, es hat sich viel getan, weil Leute wie ich dafür sorgen, dass sich etwas tut.« Seine Stimme wurde jetzt schneidend. »Aber es hat sich noch nicht genug getan, solange auch nur ein einziges Pferd bei diesem völlig schwachsinnigen Rennen gefährdet ist!«
    Signore Morelli machte eine wegwerfende Handbewegung und fluchte leise vor sich hin. »… stronzo … faccia di culo«, konnte Maria aus dem wütenden Genuschel ihres Vaters heraushören. Scheißkerl. Arschgesicht.
    »Für die Jockeys ist es doch genauso gefährlich wie für die Pferde … warum regst du dich darüber denn nicht auf?«, wollte Maria wissen und dachte dabei an Angelo.
    »Weil die Jockeys ihre eigene Entscheidung treffen. Ihnen winken Geld und Ruhm, also nehmen sie das Risiko bewusst in Kauf. Aber was winkt den Pferden?« Alessandro machte eine kunstvolle Pause, bevor er seine Frage selbst beantwortete: »Nichts. Sie werden nicht gefragt, ob sie den Palio laufen wollen oder nicht. Sie müssen. «
    Maria schwieg. Sie war sich nicht sicher, ob Alessandro recht hatte. Zwar musste sie zugeben, dass auch ihr die Pferde leidtaten, die sich verletzten, was tatsächlich relativ häufig vorkam. Dennoch liebte sie den Palio, das Rennen, die Aufregung, die Vorbereitungen in der contrada, wenn alle zusammenarbeiteten und jeder sein Bestes gab. Nicht zuletzt ihr Vater, der capitano . Und schließlich fand dieses Rennen seit bald tausend Jahren statt! Es war eine fest mit Siena verbundene Tradition, nirgendwo in Italien gab es etwas auch nur annähernd Vergleichbares. Touristen aus aller Welt kamen nach Siena, um an diesem einzigartigen kulturellen Ereignis teilzuhaben. Auch wenn man vielleicht noch ein bisschen mehr zum Schutz der Pferde tun konnte. Was das anging, musste sie Alessandro zustimmen. Trotzdem konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, ganz und gar auf dieses Fest zu verzichten.
    Maria war immer noch in Gedanken versunken, als ihr Vater abrupt aufstand.
    »Ich muss los«, sagte er. »Ich habe noch einiges zu erledigen.«
    »Für den Palio?«, wollte Alessandro wissen und um seinen Mund spielte ein spöttisches Lächeln.
    »Sicher für den Palio. Ich bin der capitano . Hast du das vergessen?
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