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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition)
Autoren: Astrid Frank
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geben?«
    »Selbstverständlich!« Antonia machte Anstalten, die Tür wieder zu schließen, und Maria ließ bereits die Arme vor ihrer Brust sinken, als sie die Haushälterin sagen hörte: »Ach, übrigens ist Ihr Cousin bereits eingetroffen. Er leistet Ihrem Vater in der Küche beim Frühstück Gesellschaft.«
    »Alessandro ist schon da?«, fragte Maria erstaunt und vergaß vor Überraschung ganz, ihre Blöße wieder zu bedecken.
    Antonia grinste als Antwort, so als verstünde sie Marias Überraschung, und schloss endlich die Tür von außen.
    Maria wunderte sich. Ihr Cousin Alessandro war ihr bislang nicht gerade als Frühaufsteher bekannt. Und jetzt war es gerade einmal neun Uhr morgens. Vermutlich hatte er die Nacht mit seinen Kumpels durchgemacht und war direkt im Anschluss hierhergekommen, um sich ein bisschen mit seinem Onkel zu zanken.
    Maria mochte Alessandro eigentlich sehr gern, obwohl er in ihren Augen ein ziemlicher Chaot war, der sein Leben nicht auf die Reihe bekam. Aber sie beide verbanden eine ganze Menge Kindheitserinnerungen – auch an Marias Mutter, Alessandros Tante, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, als Maria gerade acht Jahre alt gewesen war.
    Die auf dieses Unglück folgende Zeit hatte Maria nicht gerade in guter Erinnerung: Marias Vater versank nach dem Tod seiner über alles geliebten Frau monatelang in Schweigen und überließ seine kleine Tochter meistens sich selbst. Doch natürlich war auch für Maria die Mutter der Mittelpunkt ihrer Welt gewesen und ihr Verlust warf sie vollkommen aus der Bahn. Erst als die Lehrerin Signore Morelli mehrmals darauf aufmerksam machte, dass Maria – wenn überhaupt – zu spät in die Schule kam, nur schweigend im Klassenzimmer saß, mit ungekämmten Haaren, schmutzigen Kleidern und Tränen in den Augen, erwachte ihr Vater wie aus einem bösen Traum. Er engagierte Giuletta, die sich Maria mit all ihrer Liebe annahm und sich außerdem darum kümmerte, dass das Mädchen endlich wieder etwas Anständiges zu essen bekam und frisch gewaschen und vor allem regelmäßig zum Unterricht erschien. Das mit den Tränen erledigte sich dann – wenn auch erst nach einigen weiteren Monaten – von selbst.
    Noch heute hing Maria mit kindlicher Liebe an Giuletta wie an einer leiblichen Großmutter, auch wenn die Haushälterin mittlerweile ihren wohlverdienten Ruhestand genoss, seit Antonia sie vor zwei Jahren abgelöst hatte.
    Jetzt band Maria ihr widerspenstiges Haar mit einem Gummi zu einem lockeren Knoten zusammen und verließ anschließend eilig das Badezimmer. Die Tür ließ sie offen stehen, damit Antonia wusste, dass sie fertig war.
    Als Maria die geräumige Küche betrat, saß ihr Vater an dem alten Holztisch, der in der Mitte des Raumes stand, und hatte einen Teller vor sich, während Alessandro mit einem doppelten Espresso in der Hand lässig an der Arbeitstheke lehnte.
    Sie spürte sofort die gereizte Stimmung. Offensichtlich hatten die zwei Männer wie üblich ohne Verzögerung ein Thema gefunden, über das sie sich streiten konnten.
    »Ciao, Cousinchen«, sagte Alessandro, als Maria ihn zur Begrüßung dreimal auf die Wangen küsste. Erst links, dann rechts, dann wieder links. Er war unrasiert und roch ein wenig nach Alkohol und Zigaretten. Also hatte sie recht mit ihrer Vermutung, dass ihr Cousin den Samstagabend mit seinen Freunden verbracht und sich nach einer durchzechten Nacht direkt auf den Weg zu seinem Onkel gemacht hatte.
    »Du siehst wie immer bezaubernd aus«, stellte Alessandro fest, während Maria sich beeilte, auch ihrem Vater einen Guten-Morgen-Kuss zu geben.
    »Und du siehst aus, als hättest du seit mindestens vierundzwanzig Stunden kein Bett mehr gesehen«, antwortete Maria.
    »Das könnte ungefähr hinkommen«, bestätigte Alessandro und gähnte ausgiebig.
    Signore Morelli grunzte missbilligend.
    »Und was treibt dich so früh zu uns?«
    »Wir bereiten eine geile Aktion gegen den Palio vor«, erklärte Alessandro und war sich der provozierenden Wirkung seiner Worte im Haus des capitano durchaus bewusst.
    Offiziell war er als Student der Naturwissenschaften in Siena immatrikuliert und das schon seit vier Jahren. Allerdings glaubte Maria, dass ihr Cousin in dieser Zeit noch nicht eine einzige Prüfung abgelegt hatte. Vermutlich wusste er nicht einmal, wie das Universitätsgebäude von innen aussah. Dafür kannte er sich bestens in Sienas Nachtleben aus und war außerdem eifrig damit beschäftigt, Hühner aus Legebatterien zu
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