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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition)
Autoren: Astrid Frank
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Morgen findet die Auslosung der letzten drei teilnehmenden contradas statt, und davor gibt es noch etliches zu tun.«
    »Du meinst, Bestechungsgelder zahlen?«
    Signore Morelli hob drohend den Arm. »Pass auf, was du sagst«, ermahnte er seinen Neffen.

 
    Mein Name klingt nach Revolution.
    Motto der Raupe (bruco)
     

     
    2
     
    Montag, 16. Juli, einen Monat vor dem Palio
     
    E ine dieser Maßnahmen zum Schutz der Pferde und der teilnehmenden Jockeys, über die Signore Morelli am Tag zuvor mit seinem Neffen Alessandro gestritten hatte, bestand darin, dass nicht alle Stadtviertel Sienas an dem Rennen teilnehmen durften. Und genau darüber dachte Filipo Morelli jetzt nach, während er sich auf den Weg zum Palazzo Pubblico an der Piazza del Campo machte, wo die Auslosung der letzten drei in diesem Jahr teilnehmenden Contraden stattfinden würde. Wie in jedem Jahr genau einen Monat vor der Austragung des Palio am 16. August.
    Insgesamt verfügte Siena über siebzehn Stadtviertel, contradas genannt. Früher waren es einmal weitaus mehr Stadtviertel gewesen, aber einige waren verschwunden oder in anderen Contraden aufgegangen. Da die für den Palio zur Verfügung stehende Rennstrecke auf der Piazza del Campo, dem historischen Marktplatz Sienas, für siebzehn Pferde und Reiter zu eng war, hatte man sich ein ausgeklügeltes System überlegt, um die Teilnehmerzahl auf zehn zu beschränken: Teilnehmen durften immer die sieben Contraden, die vom letzten Palio ausgeschlossen gewesen waren, sowie drei weitere, die in einer festgelegten Zeremonie genau einen Monat vor dem Rennen unter Aufsicht des Bürgermeisters und der siebzehn capitani gelost wurden. Und zu genau dieser Auslosung war Signore Morelli jetzt unterwegs.
    Der mehr als hundert Meter hohe Torre del Mangia, der Turm auf dem Rathausgebäude, überragte Siena auf majestätische Art und Weise und war nicht nur so etwas wie das Wahrzeichen der Stadt, sondern er war auch von fast jeder Stelle in Siena aus sichtbar. Auch Signore Morelli hätte sich auf seinem Weg zum Zentrum der Stadt daran orientieren können, wenn er den Weg zur Piazza del Campo nicht ohnehin mit geschlossenen Augen gefunden hätte.
    Im capitano brodelte eine gewisse Anspannung. In diesem Jahr war die Auslosung für seine contrada, den Adler, von besonderer Bedeutung. Der Turm, der Adler, die Welle, das Stachelschwein, der Wald, das Einhorn und die Wölfin standen als Teilnehmer bereits fest, denn sie hatten beim letzten Palio aussetzen müssen. Nun konnte Marias Vater nur beten, dass der Panther, der Erzfeind seiner contrada, nicht ausgelost werden würde. Denn natürlich würde der Panther alles daransetzen, einen Sieg des Adlers zu vereiteln.
    Zwei Dinge waren beim Palio fast gleich wichtig: der eigene Sieg und die Niederlage des Erzfeindes. Auf beide Ziele wurde viel Aufwand und Mühe verwandt. Es würde für den Jockey des Adlers sehr viel leichter sein zu gewinnen, wenn er während des Rennens nicht vom Jockey des Panthers mit dem Ochsenziemer attackiert wurde.
    Zugleich wünschte sich Signore Morelli, dass der Drache und die Eule – oder zumindest einer der beiden – gezogen werden würden, denn diese galten als Verbündete. Sie würden dem Jockey des Adlers eher zum Sieg verhelfen, als ihn zu behindern. Zumindest hatte er bei diesen beiden die größten Aussichten, mit Bestechungsgeldern etwas zu erreichen.
    Signore Morelli erinnerte sich an Alessandros Bemerkung über das Zahlen von Bestechungsgeldern, die ihn gestern so aufgebracht hatte. Selbstverständlich wurden Bestechungsgelder gezahlt. Vor allem an die Jockeys der anderen Stadtviertel. Die Bestechlichkeit der fantini hatte sogar Eingang in die Sprache der Sienesen gefunden. Wenn man über jemanden sagte, »er ist wie ein fantino «, dann bedeutete das, diesem Menschen war nicht zu trauen. Aber darüber redete man doch bitte schön nicht! Etwas mehr Diskretion in diesen Dingen konnte man vom eigenen Neffen ja wohl erwarten! Auch wenn jeder wusste, dass die Jockeys untereinander geheime Absprachen trafen, manche sogar hinter dem Rücken ihres capitano .
    Bei diesem Gedanken brach Signore Morelli kalter Schweiß aus, der sich auch beim Anblick der anderen capitani , die sich bereits vor dem Palazzo Pubblico versammelt hatten, nicht verflüchtigte. Doch er riss sich zusammen, schüttelte hier Hände, klopfte dort wohlwollend auf Schultern oder nickte kaum merklich mit dem Kopf – je nachdem in welchem Verhältnis der Adler zu jener
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