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Der Dunkle Code

Der Dunkle Code

Titel: Der Dunkle Code
Autoren: Ilkka Remes
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Zusammengerollt fiel sie herab und blieb im Straßenstaub liegen. Auf dem Fahrzeug kam ein gelber Aufkleber mit dem Logo des internationalen Logistikunternehmens DHL zum Vorschein.
    Nach einem knappen Kilometer auf der von hohen, alten Häusern gesäumten Straße fuhr das Fahrzeug in einen Hof und verschwand dort in einer Garage, deren Torflügel offen gestanden hatten.
    Eine halbe Minute später gingen die Torflügel der Nachbargarage auf und ein kolossaler amerikanischer Leichenwagen aus den Sechzigerjahren, dessen Lack picobello poliert war, glitt heraus. Durch die Seitenfenster und das Heckfenster sah man einen Sarg aus Edelholz mit einem Blumengebinde darauf.
    Das Auto fuhr auf die Straße und hielt nach wenigen Hundert Metern an der nächsten Ampel an. Die rundliche alte Frau, die am Übergang wartete, machte das Kreuzzeichen, bevor sie vor dem Wagen die Straße überquerte.
    Fahrer und Beifahrer des Leichenwagens nickten der Frau würdevoll zu.
     
    Aaro hatte fast das Gefühl abzuheben, so energisch beförderten ihn die Aufseher nach draußen. Die hohen Gewölbe waren von widerhallenden Schritten, Ausrufen, Stimmengewirr erfüllt. Der leere Bilderrahmen hatte das Chaos perfekt gemacht.
    Aaro sah die Touristen in der Eingangshalles des Museums vor kleinen Tischen Schlange stehen, wo die Personenangaben und Aussagen der Augenzeugen notiert wurden. Aaro erntete neugierige Blicke und hielt sich die Hände vors feuerrote Gesicht.
    Dann ging die Tür auf und die Hitze schlug ihm entgegen. Der flimmernde, schwindelerregende Luftstrom löste in ihm sofort den Wunsch aus, wieder ins klimatisierte Museum zurückzugehen. In der Mittagshitze sah er seinen Schatten ganz schmal und scharfkantig unter sich. Die Aufseher diskutierten immer lebhafter, einige Männer deuteten in die bergab führende Straße.
    Ein Polizeiauto mit eingeschaltetem Blaulicht kam um die Ecke. Lautstark bremsend hielt es vor der Gruppe an. In einer anderen Situation hätte das Ganze einen Hauch von Abenteuer gehabt, aber jetzt sorgten die sengende Sonne, die groben Aufseher, der Durst und ein unbestimmtes Schuldgefühl dafür, dass Aaro nur schlucken konnte.
    Die Türen des Polizeiautos gingen auf und zwei Uniformierte stiegen aus. Nach einem kurzen Wortwechsel mit den Aufsehern wurde Aaro auf den Rücksitz des Streifenwagens befördert, wo es zum Ersticken heiß war. Er war nahe daran, um etwas zu trinken zu bitten, ließ es dann aber bleiben. Eventuell war die Polizei in dieser Situation nicht besonders dienstleistungsbereit. Er bemerkte, dass die hinteren Türen innen keine Griffe zum Öffnen hatten und dass die Vordersitze mit einer verkratzten Plexiglasscheibe abgetrennt waren.
    Aaro schloss die Augen und stellte sich die beiden plätschernden Springbrunnen vor, die er vor dem Petersdom gesehen hatte. Sie waren nicht weit weg. Er spürte seine Zunge am Gaumen kleben. Die Polizisten saßen vorne, als hätten sie Aaros Anwesenheit völlig vergessen. Der rechte schrieb etwas in sein schwarz eingebundenes Notizbuch und der linke sprach ins Funkgerät. Aaro kniff die Augen zusammen, denn durch die Sonne waren die Profile der Polizisten nur als schwarze Scherenschnitte zu erkennen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass die Frist, die ihnen die Lehrerin eingeräumt hatte, abgelaufen war.
    Plötzlich wurde er aufmerksam. Der eine Polizist hatte sein Notizbuch aus der Hand gelegt und klopfte gebieterisch an die Plexiglasscheibe. Aaros Hemd war schweißnass und er fühlte sich klebrig. Er nahm sich aber zusammen und versuchte, seine ganze Konzentrationsfähigkeit zu sammeln, um zu erklären, was wirklich geschehen war, damit man ihn bald freiließ.
    »Du antwortest ehrlich und direkt auf unsere Fragen, sonst gibt’s Ärger«, sagte der griesgrämige Polizist in schlechtem Englisch durch die dünne Scheibe. »Capito?«
    »Capito, capito …« , stöhnte Aaro und konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, denn ihm war klar, dass er auf jeden Fall Schwierigkeiten bekommen würde, ganz egal, was er antwortete.
    »Scusi?« ,fuhr der Polizist noch mürrischer als zuvor fort. »Come ti chiami? What is your name? Bist du Deutscher?«
    Aaro setzte sich gerade hin. »My name is Nortamo. Aaro Nortamo. I’m from Finland …«
    »Arrow Nordamo?« ,wiederholte der Polizist und tastete nach seinem Notizbuch. »Documenta«
    Aaro zog seinen Pass aus der Schenkeltasche und suchte hektisch nach einem Schlitz im Plexiglas, durch den er ihn hätte schieben können.
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