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Der Dunkle Code

Der Dunkle Code

Titel: Der Dunkle Code
Autoren: Ilkka Remes
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mit Mondgesicht und Schnurrbart deutete mit dem Finger auf Aaro und veranlasste den schmächtigen Kerl mit dem Funkgerät dazu, in dieselbe Richtung zu schauen.
    Aaro war unbehaglich zumute. Er fühlte sich schuldig, obwohl er nichts getan hatte. Am allerwenigsten wollte er jetzt Aufmerksamkeit erregen.
    Aber da kam der Schmächtige bereits zielstrebig auf ihn zumarschiert und packte ihn fest an der Schulter. Aaro verstand nichts von dem, was der Mann auf Italienisch sagte, weshalb er probehalber auf Englisch antwortete: »Was ist? Ich habe nichts getan. Ich bin auf Klassenfahrt …«
    Der Aufseher führte ihn zu einem Polizisten. »Du kommst mit«, sagte der Uniformierte in kaum verständlichem Englisch und nahm Aaro mit zu seinen Kollegen. »Wir haben Grund zu der Annahme, dass du etwas über den Fall hier weißt.«
    Aaro lief ein kalter Schauder über den Rücken. Er stand unter Verdacht, aber nicht wegen eines dummen Streichs, sondern wegen eines Anschlags auf eines der bedeutendsten Werke der abendländischen Zivilisation. Er spürte eine sonderbare, fast von einer Art Stolz durchsetzte Angst.
    Offenbar war er dem rundköpfigen Aufseher aufgefallen, als er den Attentäter vor dem überraschenden Säureanschlag beobachtet hatte. War der kurze Blickwechsel falsch interpretiert worden? Als eine Art stumme Absprache? Oder war man schon vorher durch die Bilder der Überwachungskameras auf ihn aufmerksam geworden, als er dem Typen gefolgt war? Und der amerikanische Tourist, der mit Blitz geknipst hatte, war der womöglich ein Komplize des Täters? Schließlich hatte er genau im entscheidenden Moment die Aufmerksamkeit zweier Aufseher auf sich gezogen. Zu dieser Gesellschaft wollte Aaro ganz bestimmt nicht gerechnet werden.
    »Ich will mit meiner Lehrerin reden.« Aaro bemühte sich, die Stimme zu senken, um überzeugender zu klingen, aber stattdessen kam ein grelles Kreischen heraus, was die Aufseher veranlasste, verächtlich auf ihn herabzusehen.
    »Wir entscheiden, mit wem du redest«, fuhr ihn der Schmächtige an.
    »Beh, lascia stare, Federico« ,sagte der Mondgesichtige mit dem Schnurrbart etwas ruhiger. »Non lo sospetto di niente. Vero ha visto tutto da vicino. Dobbiamo interrogarlo. «
    Aaro spürte, wie sein Kopf feuerrot glühte, als er an den Touristen vorbei hinausgeführt wurde, durch dieselbe Tür, durch die der Attentäter geflohen war. Bald darauf verlor er die Orientierung. In den Sälen der Vatikanischen Museen, die allesamt mit unermesslich kostbaren Gemälden ausgestattet waren, hallten die Schritte wider.
    Plötzlich kam ihnen im Sturmschritt ein schockierter Aufseher entgegen und brüllte etwas auf Italienisch. Im selben Moment ertönte erneut das Heulen der Alarmanlage. Die Polizisten rannten los und niemand achtete mehr auf Aaro.
    Er begriff, dass er fliehen könnte, aber das würde man ihm dann als Schuldeingeständnis auslegen. Außerdem war seine Neugier stärker und er rannte mit den Polizisten und den aus allen Richtungen herbeieilenden Aufsehern in einen anderen Saal.
    Dort waren die Vertreter der Amtsgewalt vor einem großen, vergoldeten Rahmen stehen geblieben – bestürzt, vollkommen still. Aaro starrte auf den Bilderrahmen und schluckte.
    Der Rahmen war leer.

2
    Der Fiat-Lieferwagen bog so abrupt von der breiten Via Pandolfina in die einspurige Via della Condottale ein, dass er fast einen alten Mann mit Stock überfahren hätte. Auf dem Fahrzeug stand VITTORIO DONATELLO – IHR FACHMANN FÜR INSTALLATIONEN.
    Der alte Mann drohte dem Auto mit erhobenem Stock und rief wütend mit zittriger Stimme: »Pazzi! Maledetti bastardi! «
    Das Auto beschleunigte in der engen Straße weiter. Es näherte sich einem unachtsam geparkten kleinen Lancia. Ohne das Tempo zu drosseln, fuhr der Fiat weiter und riss an dem geparkten Wagen den Spiegel ab. Eine grell surrende Vespa kam dem Lieferwagen in der Einbahnstraße entgegen. Der junge Mann, der ohne Helm fuhr, zeigte dem heranrasenden Auto den Stinkefinger.
    Erst am Ende der Straße bremste der Lieferwagen und bog in die Via dei Banchi ein, nun gemächlich, sogar mit Blinker. Selbst ein aufmerksamer Augenzeuge hätte Schwierigkeiten gehabt zu erkennen, dass sich kurz vor der Kreuzung der Rand der Aufschrift auf dem Fiat ein klein wenig hob, weil die Nylonschnur, die daran befestigt war, angezogen wurde. Innerhalb von zwei Sekunden hatte die Schnur, die durch ein Loch im Blech ins Innere des Fahrzeugs verlief, die Firmenaufschrift komplett gelöst.
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