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Der Duft des Sussita

Der Duft des Sussita

Titel: Der Duft des Sussita
Autoren: Robert Scheer
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werden, er habe darüber viel gegrübelt und immer wieder gegrübelt. Es gebe eine Lösung. Definitiv. Eine Lösung. Eine. Nur eine. Didi Hamann sei die Lösung. Er könne uns retten. Und nur er, sagte Lothar Matthäus.
    Der Rabbi wisse schon von diesem Problem, diesem Mittelfeld-Problem, fuhr Lothar Matthäus fort. Er habe die Lösung erst vor kurzem gefunden, sie dem Rabbi aber noch nicht mitteilen können. Morgen werde er dem Rabbi die Lösung aber erklären. Unbedingt. Zwar sei er, Didi Hamann, sagte Lothar Matthäus, nicht billig zu haben, aber wir müssen alles tun, ihn bei uns willkommen zu heißen. Er sei die Lösung. Didi Hamann sei die Lösung, rief Lothar Matthäus. Dann aß er noch eine Gurke und ein Stück Speck, rülpste, vermutlich unwillkürlich. Zum Wohlsein!
    Der Rabbi wartete schon auf Lothar Matthäus und mich. Als ich ihm die Rechnungen gab, fragte er, ob das Essen gut geschmeckt habe. Lothar Matthäus lächelte nur. Als der Rabbi die Rechnung zur Seite legen wollte, sah er sie noch mal kurzsichtig an. Jetzt fixierte er die Rechnung.
    Ihr wart also in Jaffa, in dem rumänischen Restaurant. Ist das nicht der Ort, in dem man Lawan-Fleisch, Schweinefleisch, verkauft?, erkundigte sich der Rabbi. Du lieber Gott, sagte er schwer atmend, das ist doch das Restaurant, das seine Produkte von dem Kibbuz Mizra kauft, oder?
    Mein Bruder und ich, fuhr der Rabbi fort, wir wollten diesen Kibbuz kaufen. Vor einigen Jahren wollten wir diesen Kibbuz kaufen. Wir wussten ja nicht, dass in diesem Kibbuz nicht koscheres Fleisch geschlachtet und verarbeitet wird. Mein Bruder und ich waren gerade frisch emigriert aus Kasachstan und wollten etwas Gutes tun. Einen Kibbuz zu kaufen schien uns ein Mizwa zu sein, eine gute Tat. Das war genau, was wir tun wollten, wir wollten etwas Gutes tun.
    Allerdings, der Kibbuz hatte finanzielle Probleme, viele Kibbuze sind in so einer Situation, der Kibbuz Mizra war wie viele andere sozusagen in einer Notsituation. Mein Bruder und ich wollten dem Kibbuz helfen. Etwas Gutes tun, für den Kibbuz und für uns. Wir wollten ihn retten, den Kibbuz, wir wollten ihm helfen, aus dieser ungünstigen Situation herauszukommen.
    Einen Kibbuz in Israel zu kaufen war immer mein Traum gewesen, sagte der Rabbi. Schon als junger Mann in Kasachstan träumte ich von einem Kibbuz, träumte, ihn zu besitzen. Ich habe schließlich meinen Bruder darauf angesprochen, er war von der Idee nicht so begeistert wie ich, aber er wusste ja, wie wichtig ein Kibbuz für mich war. Am Ende gab er nach. Wir küssten einander und beteten. Wir mussten nur noch unterschreiben.
    Einige Stunden vor dem endgültigen Kauf bekamen wir einen Brief. In dem Brief teilte man uns mit, dass in dem Kibbuz Mizra Schweine geschlachtet und Schweinefleisch verarbeitet und verkauft werde. Sogar gegessen. Schweinefleisch! Mir wurde übel.
    Ich war tief enttäuscht. Mein Bruder auch. Natürlich haben wir den Kibbuz nicht gekauft. Mit so einem Geschäft, mit so einer Schweinerei, wollten wir, mein Bruder und ich, nichts zu tun haben. Gar nichts! Wir waren sprachlos und ratlos und fassungslos.
    Als wir noch in Kasachstan wohnten, glaubten wir, dass in Israel nur koscheres Fleisch geschlachtet und verkauft werde. Wir waren durchaus enttäuscht, dass so etwas in unserem Land möglich ist. Schweinefleisch! Es war für uns ein Schock. Bis heute sind mein Bruder und ich schockiert. Dieses Geschäft mit dem Kibbuz hat uns, wie soll ich es sagen, sagte der Rabbi nachdenklich, dieses Geschäft hat uns traumatisiert.
    Und ihr habt ausgerechnet in diesem Restaurant gegessen, du lieber Gott, lächelte der Rabbi gequält. Ausgerechnet in diesem Lokal, an das die Produkte aus diesem unreinen Kibbuz Mizra geliefert werden. Es ist ja eine Schande. Und ich muss noch finanziell dazu beitragen. Es ist doch Wahnsinn. Ich bin enttäuscht, enttäuscht, enttäuscht. Ich sage es, wie es ist.
    Meinem Bruder werde ich all dies nicht erzählen. Nein, nein, nein. Auf gar keinen Fall soll mein Bruder von dieser Schande erfahren. Niemals! Schweinefleisch! Mein Lieber. Du lieber Gott. Bei uns wird koscher gegessen. Bitte übersetzen Sie das dem Herrn Lothar Matthäus, sagte der Rabbi zu mir.
    Nachdem ich Lothar Matthäus dies übersetzt hatte, fragte ihn der Rabbi, ob er schon die Lösung für das defensive Mittelfeld gefunden habe.
    Jawohl, sagte Lothar Matthäus.
    Der Rabbi schien erleichtert zu sein. Er seufzte und lächelte. Lächelte und seufzte. Den Kibbuz mit dem
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