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Der Duft des Sussita

Der Duft des Sussita

Titel: Der Duft des Sussita
Autoren: Robert Scheer
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sagte ich.
    Er wolle mich nur testen, sagte er. Ein Reality-Check, wie er es nannte.
    Dann beugte er sich zu mir und reichte mir eine sozusagen realistische Summe.
    Was immer Lothar Matthäus wolle, solle er kriegen, flüsterte der Rabbi in mein Ohr … Nur nicht übertreiben und mit gesundem Menschenverstand, also klug, das Geld ausgeben. Und die Rechnungen nicht vergessen. Ob ich verstünde?
    Onkel Sauberger und ich und Lothar Matthäus seien die Gäste des Vereins. Bitte nicht übertreiben, warnte mich der Rabbi mehrere Male und wünschte mir viel Glück in meinem neuen Job als Dolmetscher. Bevor er mich fortschickte, sagte er: Jetzt stehen Sie unter Vertrag bei mir und meinem Bruder. Den Avramoffs. Ob ich verstünde?
    Ich nickte mechanisch.
    Als Lothar Matthäus und ich zum rumänischen Restaurant in Jaffa kamen, war Onkel Sauberger schon da. Vertieft und konzentriert schien er in Gedanken oder doch in eine Tätigkeit versunken. Was machte er da?
    Seiner täglichen Gewohnheit folgend, aß er kleine und fettige Speckbröckchen, die in mathematischer Ordnung aufgereiht lagen, wie gehorsame Soldaten. Mit ruhiger Leidenschaft steckte er sich die winzigen Stücke eines nach dem anderen in den Mund. Seine Zunge erfrischte die fleischigen Lippen, und seine Hände massierten den runden Bauch.
    Wir begrüßten ihn, und er küsste mich. Und den Lothar Matthäus küsste er auch. Leidenschaftlich. Onkel Sauberger diskriminiert niemanden.
    Hier isst man nur Koscheres, sagte Onkel Sauberger kauend und in klaren hochdeutschen Worten.
    So, habe ich gehört, sagte Lothar Matthäus. Kann man so etwas essen und genießen?
    Nö, sagte Onkel Sauberger. Auf gar keinen Fall solle man koscheres Essen zu sich nehmen. Es sei Gift.
    Lothar Matthäus sah mich fragend an.
    Wenn man mit mir zusammen ist, isst man nur gutes Essen, sagte Onkel Sauberger. Verstehen Sie? Bitte seien Sie keineswegs besorgt, lieber Herr Matthäus, sagte Onkel Sauberger. Nur keine Sorge. Es sei ja nicht wert, sich Sorgen zu machen. Das Leben ist dazu zu kurz. Sich Sorgen zu machen ist nicht modern. Überhaupt nicht. Wie viel Fleisch könne man schon in 120 Jahren essen. Können Sie es mir sagen, Herr Matthäus? Nein?! Schade. Und 120 Jahre gelten als ein sehr langes Leben. Können Sie mir folgen, Herr Matthäus? Sehr gut. Wie viel Schweinefleisch kann ein Mann in seinem Leben konsumieren, Herr Matthäus? Wie viel?
    Schweinefleisch?, fragte Lothar Matthäus auf einmal.
    Was sonst, antwortete Onkel Sauberger.
    Es ist doch nicht koscher, sagte Lothar Matthäus und kratzte sich am Kopf.
    Wer sagt das, sagte Onkel Sauberger fragend. Wer sagt das?
    Die Bibel.
    Die Bibel?
    Aha, sagte Lothar Matthäus grinsend.
    Glaub’ nicht dran, sagte Onkel Sauberger. Glauben Sie?
    Ach, ich weiß es nicht. Ich bin nur ein Fußballer, und ehrlich gesagt, habe ich es mir einige Male überlegt, ob ich überhaupt nach Israel kommen sollte, erwiderte Lothar Matthäus nachdenklich.
    Wieso?, fragte Onkel Sauberger, während er ein Stück Speck appetitlich kaute und schluckte.
    Wegen, sagte Lothar Matthäus, wegen dem koscheren Essen. Am liebsten mag ich Schweinefleisch, alle Sorten, gebratene, rohe, gekochte, kalte und warme Gerichte. Wissen Sie, Herr Sauberger, sagte Lothar Matthäus, bei uns zu Hause ist ja Schwein durch und durch, wie soll ich es Ihnen sagen, rein, vollkommen rein.
    Hmm, sagte Onkel Sauberger.
    Meine Karriere verdanke ich dem Schwein, fuhr Lothar Matthäus fort. Das Schweinefleisch hat mich unendliche Male vor dem Zerfall gerettet. Meine Allergie gegen Hühnerfleisch und Rindfleisch ließ mir wenig Spielraum. Ich musste Schweinefleisch essen. Nur Schweinefleisch. Es machte mich zu einem Sieger. Viele Male schien meine Karriere am Ende zu sein, und dann wurde ich gerettet. Und ich spielte weiter, immer weiter. Nicht viele spielten so lange Fußball wie ich. Ich will jetzt nicht ins Schwätzen geraten …
    Schwätzen Sie ruhig, in aller Ruhe, fiel ihm Onkel Sauberger ins Wort.
    Jedenfalls wollte ich nur sagen, ergriff Lothar Matthäus wieder das Wort, was wollte ich sagen? Ah ja. Ich bin nicht so abergläubisch wie andere Kollegen, viele Kollegen sind ja durchaus abergläubisch, aber ich denke … na ja, ohne Schweinefleisch ein paar Jahre hier in Israel zu verbringen wäre nicht so ganz einfach. Ich sage Ihnen die Wahrheit, lieber Herr Sauberger, sagte Lothar Matthäus. Verstehen Sie, was ich meine?
    Völlig, sagte Onkel Sauberger. Völlig verstehe ich Sie. Noch
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