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Der Duft des Sussita

Der Duft des Sussita

Titel: Der Duft des Sussita
Autoren: Robert Scheer
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gutaussehendes, nicht nur ein technisches Meisterwerk, nicht nur das, nein, diese Dinge sind doch klar. Schön und gut gemacht, zweifellos. Alle wissen das. Und alle wissen auch – offensichtlich wisst nur ihr es nicht, sonst wissen es alle –, dass es auch ein kulinarisches Meisterwerk ist: nicht irgendein Döner, sondern eine Delikatesse, wie Halva und Baklava. Das ist die Wahrheit, sagte der Mann.
    Als der Mann noch etwas sagen wollte, sahen wir einen anderen Araber, der auf einem Kamel saß. In seinen Händen hatte er Geschenkartikel für Touristen. Heiliges Wasser und eine Menge geschnittener Holzkreuze in jeder Größe. Der Araber zwinkerte uns zu, sein Kamel schien etwas zu kauen.
    Salam aleikum, rief der Araber uns zu.
    Vielleicht erkannte er uns.
    Langsam entfernten sie sich beide, bis sie irgendwann verschwunden waren.

DAS EVANGELIUM NACH MATTHÄUS
    Das Evangelium nach Matthäus heißt: Defensives Mittelfeld. Dies las ich in der Zeitung, als mein Telefon klingelte. Ein Funktionär des Fußballvereins Maccabi Netania fragte mich, ob ich als persönlicher Dolmetscher für den neuen Trainer des Teams, Lothar Matthäus, arbeiten wolle.
    Wann ich zum Stadion in Netania kommen könne, wurde ich gefragt.
    Morgen?
    Sie gaben mir eine Stunde.
    So schnell wie möglich duschte und rasierte ich mich, schluckte den von gestern übrig gebliebenen Kaffee. Bitter schmeckte er. Wie eine Ziege sprang ich ins Auto. Gab Gas. Auf der Autobahn Stau. Als endlose Metallschlange standen die Autos aller Marken, Farben und Formen hinter- und nebeneinander auf dem heißen Asphalt. Sand, Palmen, Betonhäuser waren zu sehen und die Hitze zu spüren. Brennende Hitze.
    Noch ein Hamsin-Tag – schwül. Wie immer. Fast immer. Nichts regte sich. Keine Brise, kein Lüftchen.
    Ich hörte Radio.
    Nachrichten.
    Immer dieselben Nachrichten.
    Nur schlechte.
    Ich wusste nicht, warum ich mir so was anhörte. Ich schaltete das Radio ab und drehte die Klimaanlage noch kälter. Eine ganz unangenehme, unnatürliche Kälte, aber immerhin erträglich. Draußen war es heißer als in der Hölle.
    Heute wollten offensichtlich alle nach Norden. Was gab es dort? Nichts. Vom Norden kommt niemals etwas Gutes. Steht das in der Bibel? Vielleicht etwas in Haifa. Netania? Alle wollten ja Lothar Matthäus sehen. Oder wie er hier genannt wird: Luther Matthäus.
    Das musste der Grund sein. Luther, Luther Matthäus, so singen die Fans mit hemmungsloser Inbrunst. Melodie und Rhythmus. Ich hatte es im Fernsehen gesehen. Keine Harmonie. Nur Melodie und Rhythmus, die Buchstäblichkeit der hebräischen Sprache war unmittelbar zu spüren. Luther, Luther Matthäus. So hatten die Massen auf den neuen Trainer am Flughafen gewartet und gesungen.
    Er, Lothar beziehungsweise Luther Matthäus, musste also der Grund für dieses Verkehrschaos sein. Die Israelis und insbesondere die Arsim aus Netania, die närrische Masse, ein besonderer Menschenschlag und der ganze Stolz der israelischen Gesellschaft, hießen diesen gesalbten Profi willkommen. Luther, Luther Matthäus wird von jetzt an gesungen. Unsere Hymne, unsere Hoffnung, sagte ich mir.
    Habe mit Lothar Matthäus gesprochen. Ein netter Kerl. Natürlich. Habe den Job als persönlicher Dolmetscher bekommen. Musste noch mit dem Rabbi sprechen. Er war tatsächlich ein Rabbi. So sagte mir Lothar Matthäus. Kein Spitzname. Sein Bruder hatte den Verein vor kurzem gekauft. Die Gebrüder Avramoff, der Rabbi und sein Bruder, stammten aus Russland. Genauer aus Kasachstan. Aus der ehemaligen Sowjetunion. Überflüssig zu erwähnen: Sie waren reich. Millionäre. Multimillionäre. Oder doch Milliardäre? Multimilliardäre. Stinkreich.
    Rabbi Avramoff war der Manager. Ich klopfte und trat ein. Er telefonierte, zeigte auf einen Stuhl, auf den ich mich setzen sollte. Der Rabbi war nicht sehr groß, auch nicht klein, fett, aber beweglich. Er schwitzte. Unwillkürlich starrte ich seinen Mund an. Ein Zahn aus Gold leuchtete darin.
    Er fragte mich, ob ich mit Lothar Matthäus essen gehen könne. Heute könne er selbst nicht mit uns kommen. Er sei äußerst beschäftigt.
    Ob ich ein gutes Restaurant kennte.
    Nein, sagte ich. Aber mein Onkel Sauberger kenne sich gut aus, äußerst gut. Besser als jeder andere.
    Wunderbar, sagte der Rabbi. Ich solle ihm dann die Rechnung geben. Er reichte mir Geldscheine, die er aus seiner Hosentasche nahm, als wären sie Taschentücher. Nicht genug?
    Es reiche nicht mal für eine Person, ganz zu schweigen von drei,
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