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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers
Autoren: Joyce Maynard
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Singin’ in the Rain zum Beispiel, in dem der Mann so verliebt ist, dass er mit einer Laterne tanzt. Das hat meine Mutter auch einmal gemacht, als wir in Boston waren, zu der Zeit, als wir noch manchmal irgendwohin fuhren. Wir waren im Naturkundemuseum, und als wir rauskamen, regnete es in Strömen, und sie fing einfach zu tanzen an. Später war mir so was peinlich. Aber damals war ich einfach nur stolz auf meine Mutter.
    Übers Tanzen hatte sie auch meinen Vater kennen gelernt. Was sie sonst auch über ihn sagte, sie ließ jedenfalls nie einen Zweifel daran, dass der Mann wusste, wie man eine Frau über die Tanzfläche bewegt. Was für sie enorm wichtig war. Ich wusste nicht mehr viel aus der Zeit, als meine Eltern noch zusammen waren, aber ich erinnerte mich genau an das Tanzen, und sogar damals verstand ich schon, dass die beiden ein ideales Tanzpaar waren.
    Manche Männer legen einem einfach nur die Hand auf
die Schulter oder in den Nacken, sagte meine Mutter. Aber die guten Tänzer wissen, dass sie das mit Kraft tun müssen. Damit man sich dagegenlehnen kann.

    Meine Mutter hatte klare Ansichten, nicht nur zur Haltung ihres Partners auf der Tanzfläche. Sie war auch überzeugt davon, dass man von der Mikrowelle Krebs bekam und unfruchtbar wurde, weshalb ich – obwohl wir selbst eine hatten – ihr versprechen musste, dass ich mir immer ein Kochbuch vor den Unterleib halten würde, wenn ich bei Marjorie in der Küche war, während sie etwas aufwärmte.
    Einmal träumte sie, dass in Kürze ein furchtbarer Tsunami über Florida hereinbrechen würde, weshalb sie der Meinung war, ich solle keinesfalls mit meinem Vater und Marjorie nach Disneyworld fahren – obwohl Orlando im Inland lag. Sie war auch zu dem Schluss gekommen, dass unsere Nachbarin von nebenan, Ellen Farnsworth, von meinem Vater beauftragt worden war, Informationen über uns zu beschaffen, damit er das Sorgerecht zugesprochen bekam. Wie sonst konnte man sich wohl erklären, dass Mrs. Farnsworth – einen Tag nachdem mein Vater meiner Mutter aufgetragen hatte, mich zu den Probespielen der Little League zu bringen – vorbeikam und mir anbot, mich dorthin zu fahren? Und wieso sonst tauchte sie wohl plötzlich auf und fragte, ob wir ihr ein Ei borgen könnten, weil sie gerade Schokoladenkekse buk und die Eier ausgegangen waren?
    Die will mich nur ausspionieren, sagte meine Mutter. Belastende Informationen sammeln. Der würde ich sogar zutrauen,
dass sie unser Haus verwanzt hat. Heutzutage sind die Mikros so klein, dass man auch eins in diesem Salzstreuer verstecken könnte.
    Hallo, Ellen, rief sie der Nachbarin dann mit melodiöser Stimme zu. Früher hatte es mich sehr beeindruckt, dass sie so etwas merkte und dann auch noch wusste, was man dagegen unternehmen konnte. Heutzutage empfand ich das nicht mehr so.
    Und was diese Probespiele anging: Die Little League sei nur einer dieser Vereine, die kindliche Kreativität durch einen Haufen Regeln kaputtmachten, fand meine Mutter.
    Solche Regeln, wie dass man nur drei Würfe machen darf?, fragte ich. Oder dass die Mannschaft mit den meisten Punkten gewinnt?
    Das war natürlich frech. Zwar konnte ich Baseball nicht ausstehen, aber manchmal konnte ich es auch nicht leiden, wie meine Mutter überall einen Grund dafür suchte, warum wir alles Mögliche nicht tun sollten. Und weshalb alle möglichen anderen Menschen nicht zu uns passten.
    Was ist bloß los mit dieser Frau?, fragte meine Mutter zum Beispiel, nachdem Mrs. Farnsworth ihr viertes Kind bekommen hatte. Kaum schaut man mal weg, kriegt sie schon das nächste.
    Solche Themen wurden beim Essen besprochen. Was hieß, dass meine Mutter sprach und ich zuhörte. Sie hielt absolut nichts davon, während des Essens fernzusehen, sondern fand, dass man sich dabei unterhalten sollte. Während wir also im trüben Licht der einzigen verbliebenen Glühbirne am Küchentisch unser Tiefkühlgericht aßen (das immer
im Backofen, niemals in der Mikrowelle warm gemacht wurde), ließ sie sich darüber aus, dass die Farnworths offenbar keine vernünftige Verhütungsmethode anwendeten – ein Diaphragma vielleicht? –, und erzählte mir Geschichten aus ihrem früheren Leben. So erfuhr ich alles: immer dann, wenn sie das Tablett abgestellt und sich ein Glas Wein eingeschenkt hatte.
    Dein Vater war ein toll aussehender Mann, sagte sie. Du wirst auch mal so aussehen. Sie hatte kurz nach der Hochzeit jemandem in Hollywood ein Foto von meinem Vater geschickt, weil sie fand, er
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