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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers
Autoren: Joyce Maynard
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ihnen selbst oder anderen das Herz brechen.
    Für Eleanor und mich als Dreizehnjährigen – der ich nachts auf meinem schmalen Bett lag und hörte, wie meine Mutter nebenan mit Frank schlief – ging es bei allem, was an diesem heißen langen Wochenende damals geschah, um Sex. In jenem Sommer ging es für mich überhaupt bei allem irgendwie um Sex, obwohl ich mich dann, als ich die Gelegenheit dazu bekam, die Droge auszuprobieren, dagegen entschied.
    Doch ich kam zu dem Schluss, dass eigentlich Liebe die Droge war. Außergewöhnliche Liebe, für die es keine vernünftige Erklärung gibt. Ein Mann sprang aus einem Fenster im zweiten Stock und rannte blutend in ein Shoppingcenter. Eine Frau nahm ihn mit zu sich nach Hause. Diese beiden konnten nicht in die Welt hinausgehen, also schufen sie sich eine Welt für sich ganz alleine, innerhalb der dünnen Wände unseres alten, gelb gestrichenen Hauses. Knapp sechs Tage lang hielten sie sich aneinander fest, als ginge es
um ihr Leben. Neunzehn Jahre lang wartete der Mann dann auf den Augenblick, in dem er zu der Frau zurückkehren konnte. Und dann schließlich tat er es.

    Weil Frank ein verurteilter Straftäter war, konnten die beiden nicht nach Kanada auswandern, aber sie ließen sich so nahe wie möglich an der Grenze nieder, in Maine. Das ist eine lange Fahrt vom Bundesstaat New York aus, ziemlich anstrengend mit einem Baby. Aber wir fahren trotzdem ziemlich häufig dorthin.
    Wenn unser Töchterchen weint, parken wir am Straßenrand, nehmen sie aus ihrem Sitz und halten sie im Arm. Manchmal ist die Stelle ungünstig, zum Beispiel auf der Autobahn. Oder wir sind nur noch zwanzig Minuten vom Haus entfernt und könnten auch sagen: Einerlei, wir sind ja gleich da.
    Aber ich halte immer an, um unsere Tochter in den Arm zu nehmen. Oder Amelia macht es. Falls gerade schwere Laster vorbeidonnern, gehen wir ein Stück die Böschung runter, weg von dem Lärm. Oder ich halte unserer Kleinen die Ohren zu. Wenn es irgendwo ein Fleckchen Gras gibt, strecke ich mich vielleicht aus und lege mir die Kleine auf die nackte Brust – oder, im Winter, umhülle ich sie mit meiner Jacke und lasse sie ein Schneekristall kosten. Oder ich schaue im Dunkeln mit ihr die Sterne an. Ich habe gemerkt, dass ein Baby – obwohl es weder Wörter noch die Regeln des Lebens kennt – Gefühle besser als jeder andere beurteilen kann. Ein Baby erlebt die Welt nur mit seinen fünf Sinnen. Wenn man es im Arm hält, ihm etwas vorsingt,
ihm den Himmel, ein zitterndes Blatt oder einen Käfer zeigt, lernt es die Welt kennen. Und nur auf diese Weise merkt es, ob es sich an einem liebevollen und sicheren Ort befindet oder an einem feindseligen, abweisenden.
    Was unsere kleine Tochter aber auf jeden Fall spürt, ist die Tatsache, dass sie nicht alleine ist. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sich auf jeden Menschen positiv auswirkt, wenn man ruhig und aufmerksam ist und den schlichten Impulsen der Liebe folgt. Das gilt für Babys, aber auch für die meisten Erwachsenen. Und für Hunde. Sogar für Hamster. Und für Menschen, denen das Leben so übel mitgespielt hat, dass es keine Hoffnung mehr für sie zu geben scheint. Obwohl das sehr wohl der Fall sein mag.
    Deshalb spreche ich zu unserer kleinen Tochter. Manchmal tanzen wir auch. Und wenn sich ihr Atem wieder beruhigt hat – weil sie eingeschlafen ist oder einfach nur so –, setzen wir sie wieder in ihren Kindersitz und fahren weiter Richtung Norden. Und so spät in der Nacht wir auch auf den Feldweg zum Haus abbiegen, es wird doch in jedem Fall im Haus Licht zu sehen sein und die Tür wird aufgehen, noch bevor wir anhalten – und meine Mutter wird dort stehen, mit Frank an ihrer Seite.
    Ihr habt das Baby mitgebracht, sagt sie.

Danksagung
    Mein tief empfundener Dank gilt der MacDowell Colony – und allen, die sie ermöglichen –, in der ich die größtmögliche Unterstützung gefunden habe, die man sich als Künstler vorstellen kann, und den Künstlern, mit denen ich dort und in der Corporation of Yaddo gelebt habe. Ihre Liebe zu ihrem Schaffen hat mein eigenes genährt.
    Ich stehe in der Schuld von Judi Farkas, die mir als erste Mut gemacht und mein Manuskript in die Hände jenes Mannes gelegt hat, der sich nicht nur begeistert zeigte und an mich glaubte, sondern mir auch als exzellenter Lektor zur Seite stand: mein Agent David Kuhn. Dankbarkeit und Hochachtung empfinde ich auch für Jennifer Brehl von William Morrow, denn sie verfügt über ein
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