Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
Begeisterung und Enthusiasmus sagte er zu. So hätte vermutlich ein anderer junger Mann auf das Angebot einer Weltreise reagiert.

3
    Will Cobbett sei höchstwahrscheinlich der einzige Hausbewohner, der von dem jüngsten Mord keine Ahnung hatte und nicht einmal wusste, dass er stattgefunden hatte, befand Inez. Vermutlich der einzige Bewohner in der ganzen Star Street. Jeder redete darüber. Nur Will meinte bei ihrer Begegnung im hinteren Hausflur – sie war hinuntergegangen, um ihre Sonntagszeitung zu holen –, was es doch für ein schöner Tag sei, Mrs. Ferry. Er würde ihn bei seinem Tantchen verbringen, zu der er gerade unterwegs sei. Beim Anblick der fett gedruckten Schlagzeile auf dem Titelblatt schienen sich seine sanften blauen Augen zu verschleiern. Doch ohne das geringste Interesse zu zeigen, hob er lediglich den Kopf und meinte, wie sehr er sich auf den vor ihm liegenden Tag freue.
    »Ich gehe wirklich gern zu ihr. Sie kocht mir genau um zwölf mein Mittagessen, und immer gibt es meine Lieblingssachen.«
    Auf Grund seines wirklich guten Aussehens und seiner stets adretten und sauberen Kleidung hätte man meinen mögen, dass er auch intelligent sein müsste. Wie konnte ein Mann so groß und schlank sein, wie konnte er so eine gerade Nase haben, einen derart kräftigen Zug um den Mund, solche blonden Haare und diese Augen, und dann doch – nun ja, nicht ganz so wie andere Leute sein? Die meisten Menschen erwarteten, dass Analphabeten und einfältige Seelen hässlich und gedrungen aussahen. Will hingegen war schön. Ein anderes Attribut käme für ihn nicht in Frage. Wäre sie dreißig Jahre jünger gewesen, hätte sie sich bis über beide Ohren in ihn verknallt.
    »Bestellen Sie Ihrer Tante einen Gruß von mir.« Sie mochte Becky Cobbett, die mit Will wunderbar umgehen konnte. Nur wenige Tanten würden sich so viel Mühe geben. Selbstlosigkeit war nicht weit verbreitet. »Richten Sie ihr meine besten Grüße aus. Wenn sie das nächste Mal herkommt, müssen Sie sie unbedingt auf einen Drink herunterbringen.«
    »Und ich bekomme einen Himbeer-Preiselbeer-Saft.«
    »Aber selbstverständlich. Wir müssen uns verabreden.« Sie hatte nicht vor, Caroline Dansk zu erwähnen, oder das, was ihr zugestoßen war. Jede Art von Gewalt rege ihn entsetzlich auf, hatte ihr Becky erklärt, sogar der Gedanke daran. Im Haus und selbst auf der Straße gab es genügend andere Leute, die sich liebend gern über diesen Mord die Köpfe heiß redeten. Inez nahm die Zeitung mit nach oben, kochte sich in der kleinen Pressfilterkanne eine Tasse Kaffee und aß ein Plunderteilchen. In der gestrigen Abendausgabe hatten sie bereits ein Foto von Caroline Dansk abgebildet, doch das hier war ein ganz anderes. Älter sah sie darauf aus, aber auch hübscher, dachte Inez, mit leicht geöffneten Lippen, die großen Augen voller Hoffnung. Hat ihr nicht viel genützt. Ganze einundzwanzig und schon tot.
    Genau in diesem Alter hatte sie ihren ersten Mann geheiratet. Wenn sie ein bisschen älter gewesen wäre, hätte sie mehr Verstand besessen und sich nicht an einen Mann gebunden, der von keinem Mädchen, das er traf, die Augen lassen konnte und mehr als einmal auch nicht die Hände, egal, ob sie attraktiv war oder nicht. Inez hatte sehr gut ausgesehen, blond und braunäugig mit ebenmäßigen Gesichtszügen und langen dichten Haaren, doch Brian hatte das nicht genügt. Sie hätte eigentlich die Zeichen sehen müssen, und sie sah sie ja auch. Aber sie zog die falsche Schlussfolgerung. Es war die alte, alte Geschichte. Sie glaubte, sie könnte ihn ändern. Aber, offen gestanden, hatte sie erst dann einen Mann, den sie nicht ändern wollte, als Martin des Weges kam. Seufzend widmete sie sich erneut der Titelseite.
    Da war es wieder. Diesmal hatte der Mörder einen Schlüsselring entwendet. Der Ring selbst bestand aus Onyx und vergoldetem Metall. Daran hing eine vergoldete Kette mit einem Scotchterrier aus Onyx. Selbstverständlich hatten weder Polizei noch Zeitung den Schlüsselring gesehen. Ein Künstler hatte ihn nach der Beschreibung gezeichnet, die ihm Carolines Stiefvater geliefert hatte. Inez verstand nicht, wozu das gut sein sollte. Der Würger würde den Schlüsselring wohl kaum herumliegen lassen, damit ihn irgendjemand fände. Die Zeitung berichtete, Noreen Ponti, die Mutter des armen Mädchens, habe einen Aufruf zur Ergreifung des Mörders aufgezeichnet. Verständlich, wenn auch zwecklos. Den würden alle liebend gern finden, das war nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher