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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes
Autoren: Ulrike Schweikert
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besser kannte als sie selbst. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Endlich ein Spiel, das es zu spielen lohnte. Endlich eine freudige Erregung in der stumpfsinnigen Langeweile seines ewigen Daseins.
    Tief in Gedanken strich der Vampir durch die Nacht, griff wahllos nach einsamen Spaziergängern, um seinen Durst zu stillen, und ließ die Geschwächten dann achtlos am Straßenrand liegen, wo sie bis zum Morgen in einem Dämmerschlaf vergessen konnten. Als der Vampir im Morgengrauen sein Versteck hoch oben in der Speicherstadt wieder aufsuchte, lag noch immer ein seliges Lächeln auf seinen kalten Lippen.
    „Moin", grüßte Sabine Berner munter, warf ihre Tasche neben dem Schreibtisch auf den Boden und schälte sich aus ihrer regennassen Jacke.
    „Hm", lautete die Antwort ihres Kollegen, doch immerhin hob er die Hand und streckte zur Begrüßung zwei Finger aus. Das war für Sönke Lodering am frühen Morgen vor elf Uhr schon fast eine Liebeserklärung. Der Kriminalobermeister saß vor seinem Computerbildschirm, die Beine auf den Papierkorb gelegt, in den Händen einen dampfenden blau glasierten Becher. Die Kommissarin beugte sich vor und schnüffelte geräuschvoll.
    „Ah, die Spezialmischung!"
    „Hm", brummte Sönke noch einmal und schlürfte das dunkelbraune Gebräu: echte Friesenmischung mit Kandis und Milch -nur aufgewölkt, auf keinen Fall umgerührt - und heute noch mit einem winzigen Schuss Rum. Schließlich war das Wetter umgeschlagen. Nach den milden, spätsommerlichen Tagen war heute Nacht ganz plötzlich der Nordwestwind erwacht und hatte kalte Regenschauer von der Küste her über Hamburg gejagt.
    „Was machst du?", startete Sabine einen weiteren Versuch, den Kollegen aus seiner Einsilbigkeit zu reißen.
    „Vermisstenkartei", gab Sönke zur Antwort, fügte dann aber überraschend ausführlich hinzu: „Hab unseren nassen Kunden aber noch nicht entdeckt."
    Sabine Berner trat hinter ihn und ließ den Blick über die Personenbeschreibungen wandern. Eigentlich waren die Kripoleute der einzelnen Hamburger Polizeireviere für Vermisstensachen zuständig. Über neunzig Prozent der vermissten Personen tauchten sowieso innerhalb der ersten zwei Tage wieder auf. Wenn nicht, wurde vor Ort eine Vermisstenanzeige aufgenommen und der Fall untersucht. Gleichzeitig ging eine Meldung an das LKA hinaus. Nach einer Weile wurden die Daten dann in die bundesweite Vermisstenkartei aufgenommen.
    Sönke Lodering blätterte erst die Hamburger Einträge durch, dann die aus Schleswig-Holstein, aus Niedersachsen und Bremen.
    „Passt alles nicht", bestätigte Sabine Berner. „Entweder ein Zugereister oder einer, den niemand vermisst." Sönke nickte.
    Da wurde die Tür heftig aufgestoßen, sodass sie krachend gegen den Aktenschrank schlug. Ein strahlendes Lächeln auf den Lippen, in der linken Hand eine Thermoskanne, in der rechten zwei Tassen, stürmte Klaus Gerret ins Büro.
    „Moin", schmetterte der junge Kommissar. „Alle Mann an die Pumpen! Wenn das so weiterregnet und -stürmt, dann bekommen die Leute unten an der Elbe heute noch nasse Füße in ihrer guten Stube."
    Mit einem Knall stellte er die Tassen auf den Schreibtisch. „Möchte wer 'nen Kaffee?" Klaus strich sich das widerspenstige rotblonde Haar aus der Stirn und sah fragend von Sabine zu Sönke.
    Der ergraute Kollege verdrehte gequält die Augen. Langsam schüttelte er den Kopf und brummte leise: „Quiddje!"
    „Das ist nicht wahr!", protestierte Klaus Gerret. „Ich bin in Hamburg geboren."
    „Wandsbek", korrigierte Sönke.
    „Mein Vater war echter Schiffsbauer!"
    „Und deine Mutter ist aus Hessen! Nee, nee, wer schon so viel dumm Tuch am frühen Morgen snackt, der kann nur ein Quiddje sein." Sabine unterdrückte ein Grinsen und hielt Klaus ihre leere Tasse unter die Nase, um dem schon gewohnten Gezänk der beiden ein Ende zu bereiten.
    „So sehr Quiddje wie ich kannst du gar nicht sein", lachte sie und goss sich viel Milch in ihren Kaffee. „In Schwaben geboren und in Schwaben aufgewachsen."
    „Ja, das ist allerdings kaum zu übertreffen", spöttelte Klaus und zwinkerte ihr fröhlich zu. „Doch um dienstlich zu werden, unser verehrter Herr Doktor bummelt heute Morgen Überstunden ab, und dann hat er als Erstes noch die Zugleiche auf dem Tisch. Seine Assistentin ist aber zuversichtlich, dass er unseren Froschmann nach seinem Vieruhrtee drannehmen kann."
    Sabine Berner nickte. „Gut, dann haben wir den Bericht morgen."
    „Vielleicht kann er ihn ja
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