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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes
Autoren: Ulrike Schweikert
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erst wenige Monate her, dass er von spitzen Zähnen seines Lebens beraubt worden war, um als Untoter ruhelos und in Ewigkeit auf der Erde zu wandeln.
    Die Springbrunnen sollte sie nicht mehr sehen. Schon hinter den ersten blütenschweren Büschen zog er sie an sich und saugte sie in wilder Gier bis zum letzten Blutstropfen aus. Der Herzschlag verklang. Da lag sie, bleich und tot in seinen Armen, der wundervolle Duft verwehte und verschwand unwiederbringlich in der Sommernacht.
    Der Vampir konnte seine Opfer, von deren Blut er seit damals getrunken hatte, nicht zählen, doch solch eine Lust hatte er nicht wieder erlebt. Der Augenblick auf dem Holländischen Brook in der Hamburger Speicherstadt wurde zur Ewigkeit. Dreieinhalb Jahrhunderte lang hatte keine Sterbliche sein Gemüt in Unruhe versetzt -und nun das: eine Kommissarin der Hamburger Kripo in Jeans und Pulli, ungeschminkt mit ungekämmtem dunkelblondem Haar. Und doch ließ ihr Duft die Erinnerung an Antonias Blut in ihm wieder lebendig werden.
    „Sabine, kommst du?", drang Sönkes Stimme in ihr Bewusstsein. Es hörte sich an, als riefe der Kriminalobermeister nicht zum ersten Mal. Die Kommissarin winkte ihm zu.
    „Ja, ich komme, ich muss nur noch..." Sie wandte sich wieder dem merkwürdigen Fremden zu, doch er war verschwunden. Wo konnte er so schnell hingegangen sein? Suchend drehte sie sich im Kreis, bis Sönke Lodering an ihre Seite trat.
    „Was wird das? Ein Regentanz?"
    „Da war ein Mann, der nicht hierher gehörte, und ich sagte ihm, er solle verschwinden, und nun ist er plötzlich weg."
    „Na, denn is ja alles in Butter."
    „Aber ich habe ihn nicht weggehen sehen. Es ist, als habe er sich in Luft aufgelöst." Fassungslos schüttelte Sabine den Kopf.
    „Wie hat er denn ausgesehen?"
    „Ich weiß es nicht mehr." Die Kommissarin schnitt eine hilflose Grimasse.
    Sönke hob die grauen Augenbrauen und sah seine Kollegin fragend an. „Biste heute 'n büschen tüdelig?"
    Sie nickte. „Ja, kann sein. Jens hat angerufen. Seine Mutter fährt sechs Wochen zur Kur, und er fliegt mit seiner Neuen in die Karibik." Sabine verdrehte die Augen.
    „Dachte, da bist du drüber weg?", brummte Sönke und dirigierte sie in Richtung Polizeiboot, auf dem die Uniformierten und der Polizeifotograf schon ungeduldig warteten.
    „Ja, schon, doch das heißt, ich werde nächste Woche Julia samt Leila bei mir haben. -Nicht, dass ich mich nicht freue, wenn ich die Kleine sehe, doch ich habe keinen Urlaub mehr, und nun auch noch das." Sie deutete in Richtung Kai, wo der Tote im Wasser lag. „Das gibt doch sicher wieder Überstunden. Und wohin dann mit einer lebhaften Fünfjährigen und einem noch lebhafteren Setter?"
    Sönke knurrte etwas Undeuliches und kletterte in das Schlauchboot.
    „Nu mach mal vorwärts, mien Jung", forderte er den jungen Uniformierten auf, der sich mit dem Außenborder abmühte. „Ich will bis zehn den Heimathafen sehen."
    Sabine grinste den Fotografen an. „Ja, sonst kriegt er nichts Warmes mehr zu essen", verriet sie ihm. „Seine Frau hat da ganz strenge Prinzipien."
    „Sabbelbüdel", brummte Sönke unwirsch.
    Von der Brücke aus beobachtete Peter von Borgo das Schlauchboot, wie es an die Schute heranfuhr und an ihr festmachte. Blitzlichter flammten ein Dutzend Mal auf. Dann machten sich die Uniformierten daran, den Toten zu bergen und zu der breiten Landungstreppe, drüben hinter der Neuen Wegsbrücken, zu bringen. Für den Toten interessierte sich der Vampir nicht mehr. Er beobachtete die Kommissarin, wie sie ihr Diktiergerät aus der Jackentasche zog und leise Worte hineinsprach, sich bückte, um die Gesichtszüge des Toten zu betrachten, den zwei Uniformierte nun auf den Rücken gedreht hatten, wie sie tief in Gedanken eine Haarsträhne hinters Ohr schob, wie sie sich dem schon ergrauten Beamten neben sich zuneigte, um zu hören, was er ihr zu sagen hatte. Noch immer prickelte ihr Geruch in seiner Nase, und es drängte ihn, sie zu packen und an sich zu reißen, seine Zähne tief in ihren Hals zu tauchen, um den herrlichen Geschmack ihres Blutes zu kosten.
    Nein! Die schlanken Finger umklammerten das Brückengeländer. Nun würde es sich zeigen, ob er seine Lektion gelernt hatte. Dieses Mal würde er sich zügeln. Dieses Mal würde er überlegt vorgehen und geduldig warten, bis die Zeit gekommen war, im höchsten Genuss zu schwelgen. Doch vorher würde er sie erkunden, würde jeden ihrer Schritte überwachen, bis er ihre Gedanken und Gefühle
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