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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes
Autoren: Ulrike Schweikert
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beobachtet wie die Katze, die mit einer Maus spielt. Und jetzt bist du bereit zuzuschlagen. Jetzt und hier willst du über mich herfallen und mich töten."
    „Ja und nein. Erst dachte ich daran, immer wieder zu dir zu kommen und mich an deinem Blut zu erfrischen, doch mit jedem Mal würdest du schwächer werden, dahinsiechen und irgendwann sterben. Dann wollte ich das rauschende Fest, den Genuss, deinen herrlichen Lebenssaft, bis dein Atem verstummt, doch wie könnte ich es ertragen, wieder Jahrhunderte umherzuirren, bis ich diesem Gefühl wieder begegne?" Er nahm Sabine in die Arme und presste sie an sich.
    „Ja, ich werde dein Blut trinken, ich werde mich an dir berauschen, doch bevor dein Herz zu schlagen aufhört, werde ich dir zurückgeben, was ich dir genommen habe: Blut, meinen Lebenssaft. Wenn du es willst. Es wird dich stark machen und schnell, du wirst sehen, wie du es dir nicht vorzustellen vermagst, du wirst riechen, dass du der Fährte eines Tieres folgen kannst, das Stunden vorher hier seines Weges gegangen ist, dein Ohr wird scharf sein, sodass du das Wispern des Windes verstehst."
    „Und ich werde das Blut anderer Menschen trinken?", rief sie entsetzt und befreite sich aus seinen Armen.
    „Ja, und du wirst immer jung bleiben. Jung und schön, nie werden dich die Gebrechen des Alters plagen, nie Krankheit und Trübsinn niederdrücken. Du wirst nicht verblühen."
    „Warum? Warum willst du das tun?", fragte sie leise.
    „Weil ich dich nie verlieren will! Ich möchte eine Gefährtin an meiner Seite, jede Nacht, jede Stunde der Ewigkeit. Ich will dich!"
    Ein Schauder lief Sabine über den Rücken. Sie hatte von ihm geträumt, sie hatte diesen Mann begehrt, wenn auch nicht auf diese Weise. Sie hörte Jens' drohende Worte, sie sah den Psychiater mit erhobenem Zeigefinger, sie sah den Polizeioberrat, der bedauernd den Kopf schüttelte. Was blieb ihr von ihrem Leben? Sie hatte alles verloren: ihren Vater, ihren Mann, ihr Kind und ihre Arbeit. Wie würde das Leben an der Seite dieses faszinierenden Wesens sein? Sie spürte, wie ihr Herz bis zum Hals schlug, in ihrem Bauch kribbelte es, und sämtliche Härchen ihres Körpers stellten sich auf. Zögernd legte sie ihm die Arme um den Hals und küsste ihn sanft auf den Mund. Er rührte sich nicht, doch als ihre Lippen sich fordernd bewegten und ihre Zungenspitze ihn berührte, öffnete er den Mund. Er küsste sie, dass ihr Atem stockte. Sie schmeckte ihr eigenes Blut. Er saugte an ihren Lippen und an ihrer Zunge. Ein lustvolles Stöhnen entrang sich seinem Mund.
    „Sabine, sag, willst du mich in meinen einsamen Nächten begleiten, bis der Mond sich für immer verdunkelt? Du musst es freiwillig tun!"
    Sie seufzte nur und warf den Kopf zurück. Der Pelz glitt von ihren Schultern. So lag sie in seinen Armen, mit entblößtem Hals und nackten Schultern, in ihrem blutroten Kleid, mitten in der Weite des verschneiten Gartens. Der volle Mond spiegelte sich in den feurigen Augen, als der Vampir zubiss.
    Die Jahre rauschten an ihm vorbei, die Zeiten vergingen. Er war wieder jung, er roch den Hauch des Sommers der blütenschweren Ballnacht. Doch dieses Mal würde er sie nicht verlieren! Es war, als würde seine Haut glühen und seine Lunge bersten. Im Taumel seiner Lust schrie er zum Mond hinauf.
    Sabine schloss die Augen. Sie spürte seine Zähne in ihrem Hals verschwinden, doch es schmerzte nicht. Der ruhende See ihrer Seele geriet in Bewegung, Wellen tanzten und wirbelten im Kreis. Immer schneller begann sich der Strudel zu drehen. Verlorene Erinnerungen flogen vorüber. Sie sah sich an seinem Arm durch Hamburg schlendern, sie war wieder auf dem Boden in der Speicherstadt, sie lief mit ihm über den Friedhof und lag nackt auf dem glänzend schwarzen Flügel. Doch plötzlich erhob sich eine helle Stimme.
    „Mama!", schrie Julia. „Mama, bleib bei mir. Mama, ich brauche dich!"
    Sabine riss die Augen auf. Vergeblich versuchte sie den Vampir wegzustoßen, doch plötzlich ließ er selbst von ihr ab. Er riss sich die feine Spitze vom Hals und öffnete sein Hemd.
    „Komm, komm her zu mir!" Er fuhr mit seinen Fingernägeln über seinen Hals und zog eine blutige Spur. Noch einmal schlug er seine Nägel in sein eigenes Fleisch, bis dicke Tropfen hervorquollen und an seiner Brust herabperlten.
    Sabine drehte den Kopf weg. „Nein, ich kann das nicht! Mein Kind, Julia, sie braucht mich. Ich kann das nicht tun."
    Schwankend tappte sie ein paar Schritte rückwärts. Sie
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