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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes
Autoren: Ulrike Schweikert
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früh, und dennoch bebte sie vor Ungeduld. Würde er kommen? Wieder wandte sie sich den Gemälden zu.
    Sie fühlte seinen Blick auf sich ruhen, noch ehe sie ihn sah. Ihr Kleid raschelte, als sie herumfuhr. Erleichterung und Freude strahlten in ihren Augen, als sie auf ihn zuging, doch auch Verwunderung, als ihr Blick an ihm herabwanderte. Er trug ein weißes Seidenhemd, ein Spitzentuch floss wie ein schäumender Wasserfall um seinen Hals. Auch aus den Ärmeln der eng anliegend geschnittenen, langschößigen Jacke quollen üppig Spitzen hervor. Unter der schwarzen Jacke trug er eine silbern bestickte Weste, glänzende Kniehosen, weiße Strümpfe und schwarze, schmale Schnallenschuhe. Ein weiter Mantel mit drei Kragen vervollständigte seine Garderobe. Das Haar fiel ihm bis auf die Schulter und wurde im Nacken von einer schlichten silbernen Spange zusammengehalten.
    „Peter, willst du Graf Krolock Konkurrenz machen?", begrüßte Sabine ihn und strich mit den Fingerspitzen bewundernd über den edlen Stoff seiner Jacke. „Oder spielst du in dem Stück mit?"
    Er beugte sich über ihre Hand und berührte sie mit seinen Lippen.
    „Nein, ich werde neben dir sitzen", sagte er lächelnd. „Doch was sollte ich sonst anziehen, damit ich mich neben dir sehen lassen kann?"
    Wohlgefällig nahm er ihr Bild in sich auf: das hochgesteckte blonde Haar, zwei Strähnen lösten sich wie zufällig aus dem Knoten und umschmeichelten in weichen Locken den schlanken Hals. Das Make-up schimmerte sanft im Lampenschein, ihre von langen, dunkel getuschten Wimpern umrahmten Augen strahlten, der Mund glänzte blutrot wie die Seide des Kleides. Ihre festen Brüste wölbten sich über den Rand der mit winzigen Perlen bestickten Corsage, unter der sich in weichen Wellen der seidige Rock bis zu den Füßen ergoss.
    Sabine sah sich um und seufzte. „Ja, ich bin schrecklich overdressed! Obwohl, dahinten sind noch zwei Frauen in langen Kleidern, aber ich habe auch Jeans gesehen."
    Peter von Borgo bot ihr den Arm. „Das soll dich nicht stören. Heute ist die Nacht, auf die es Jahrhunderte zu warten lohnte."
    Sabine warf den Kopf in den Nacken und lachte. „Ich habe nie einen Mann getroffen, der so altmodische und doch so schöne Worte ausspricht."
    Der Vampir führte sie zu ihren Plätzen in der ersten Reihe. Langsam füllten sich die roten Sitze des prächtigen Theaters, die Lampen erloschen, und im Rausch der Musik und der wirbelnden Lichterflocken versank die Welt dort draußen.
    „Jahrelang war ich nur Ahnung in dir, jetzt suchst du mich und hast Sehnsucht nach mir", sang Kevin Tarte, als Graf Krolock in Schwarz und Silber gekleidet. Ein gleißender Lichtstrahl modellierte harte Kanten in seine Gesichtszüge und warf den Schatten seines weiten Mantels übergroß an die Wand. „...uns beide trennt nur noch ein winziger Schritt, wenn ich dich rufe, hält dich nichts mehr zurück, getrieben von Träumen und hungrig nach Glück."
    Groß, beinahe hager, in überheblichem Stolz stand er da.
    Der lange Mantel glänzte mal silbern und mal tiefblau und verwandelte sich in seinem Schatten zu riesigen Fledermausschwingen. Fasziniert sah Sabine zu ihm auf. Ihre Hand drückte die kalten Finger neben sich. Der große Smaragd bohrte sich in ihre Haut. Es war wie ein Strudel, in dem sie sich immer schneller drehte und der sie schließlich verschlang. Sie fühlte Sarahs Sehnsucht nach Freiheit und träumte ihren Traum von Liebe und Abenteuer, spürte die Angst vor dem großen Schatten und lief mit ihr durch die Nacht.
    „Totale Finsternis, ein Meer von Gefühl und kein Land", sang Barbara Köhler und ließ den Blick ängsüich über die lebenden Porträts der Ahnen des Grafen wandern. „Totale Finsternis, ich falle und nichts, was mich hält."
    „Sich verliern heißt sich befrein, du wirst dich in mir erkennen, was du erträumst, wird Wahrheit sein, nichts und niemand kann uns trennen, tauch mit mir in die Dunkelheit ein..." Gemessenen Schrittes stieg der Vampir die schwere Wendeltreppe hinunter. „Die Ewigkeit beginnt heut Nacht..."
    Vor Spannung ein Stück vorgebeugt, wandte Sabine keinen Blick von der Bühne.
    „Wird er sie aussaugen?", keuchte sie, als Sarah in ihrem blutroten Ballkleid die Wendeltreppe zu der untoten Festgesellschaft herunterstieg, und umklammerte Peter von Borgos Hand.
    „Ja!"
    „Und dann? Wird sie sterben?"
    „Nein, sie wird ein Vampir wie er, ein unsterblicher Jäger in der Dunkelheit, getrieben von ihrer unstillbaren Gier nach
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