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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes
Autoren: Ulrike Schweikert
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großes, flaches Paket, in silbernes Papier gehüllt, mit einer schwarzen Schleife. Eine schwarz glänzende Rose und ein versiegelter Brief steckten unter dem breiten Samtband. Mit zitternden Händen brach sie das Siegel und faltete das handgeschöpfte Blatt Papier auseinander.
    Liebe Sabine, der Strom der Ereignisse hat uns mit sich gerissen, der
    Strudel des wild schäumenden Wassers die Gedanken und Gefühle verwirrt. Doch nun sind die Stromschnellen vorüber und unsere Seelen liegen wieder ruhig da wie ein spiegelnder See im Mondlicht.
    Die Zeit ist gekommen, eine Entscheidung zu treffen. Eine große Entscheidung, die dein Leben für immer verändern wird. Egal, in welche Richtung du dich wendest, nichts wird dann mehr sein, wie es war. Es wird Zeit, Wolken und Nebel zu vertreiben und die geheimnisvolle Weite des nächtlichen Universums zu enthüllen. Ich will deinen Blick schärfen und dir eine Welt zeigen, die deine Augen nicht sehen können und die dein Geist erst zu ahnen beginnt.
    Der erste Schritt ist dein freier Wille. Was dann geschieht, vermag auch ich nicht vorherzusagen. Ich werde auf dich warten.
    Peter von Borgo
    Verwirrt ließ Sabine den Brief sinken. Welch wunderschöne Worte in altmodischer, verschlungener Schrift, doch was sollten sie bedeuten? Noch einmal las sie ihn durch, und es war ihr, als würde eine verborgene Saite in ihr zum Klingen gebracht. Hastig löste sie die Schleife, wickelte das silberne Papier ab und öffnete den flachen Karton.
    Oben lag ein Umschlag. Ein Flugticket, eine Eintrittskarte und eine Hotelreservierung flatterten auf ihr Bett. Doch was war das? Sie hielt zwei schmale, tiefrote Pumps in den Händen, dann griffen ihre Finger nach glänzend rotem Stoff. Vorsichtig zog sie das Kleid aus der Schachtel und hielt es vor sich hin.
    „Ich träume, ganz bestimmt träume ich!" Sabine lief in den Flur und stellte sich vor den großen Spiegel. „Dieses Mal wird Cinderella bestimmt ihren Schuh verlieren."
    Die nächsten Tage strich sie immer wieder mit der Hand über den weichen Stoff oder roch an der Rose, die einen betäubenden Duft verströmte. Sollte sie die Einladung annehmen? Sollte sie mit Ingrid darüber sprechen oder mit Lars oder Sönke? Sie blätterte in den Aquarellen, die ihr Peter von Borgo geschenkt hatte.
    „Nichts wird mehr sein, wie es war -wie dramatisch!", sagte sie spöttisch zu ihrem Spiegelbild, und doch flatterten Schmetterlinge in ihrem Bauch und ihre Haut kribbelte vor Aufregung. Die Tage verstrichen, und am Freitag stieg sie in Fuhlsbüttel in ein Flugzeug, das sie nach Stuttgart brachte.
    Vor Aufregung bebend stieß Sabine die Schwingtür zur Eingangshalle des Musicaltheaters auf. Zaghaft setzte sie die Füße in den roten Pumps auf die breite Treppe, die zum Eingang hinaufführte. Ihr Blick wanderte zu dem deckenhohen Gemälde. Fledermäuse am samtblauen Nachthimmel, der silberne Schein des vollen Mondes in den Wolken, ein Rudel Wölfe mit glühenden Augen. Ihr Blick schweifte weiter zu alten Mauern mit spitzbogigen Fenstern und blieb dann an einer bleichen Gestalt in Schwarz hängen. Sein langes graues Haar flatterte im Wind, sein Mund war weit geöffnet und entblößte spitze, weiße Zähne. In seinen Armen lag eine junge Frau in einem roten Kleid. Den Kopf in den Nacken geworfen, bot sie ihm ihren schlanken Hals.
    Sabines Körper prickelte. Es war nicht nur ein Bild. Es war eine Ahnung, die sich in einem verborgenen Winkel ihrer Seele regte. Rasch raffte sie das lange blutrote Kleid ein Stück, sodass der gebauschte schwarze Tüllunterrock hervorlugte, und stieg die letzten Stufen hinauf.
    „Herzlich willkommen zum Tanz der Vampire", begrüßte sie eine jungenhafte Stimme. Ein Mann in Rot und Schwarz mit einem weiten Umhang lächelte sie freundlich an. „Ihre Karte bitte."
    Hastig kramte Sabine die Eintrittskarte aus ihrer Tasche und streckte sie dem jungen Mann entgegen.
    „Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen."
    „Danke."
    Neugierig trat Sabine in die von Säulen getragene Halle. Blutrote Farbe rann in dicken Tropfen an ihnen herab, das Licht flackerte warm. Künstliche Spinnweben und Fledermäuse, alte Gemälde und Schaufensterpuppen in üppig verzierten Kostümen ließen Bilder einer fantastischen, längst vergangenen Welt in ihr entstehen.
    Langsam schritt Sabine an den goldgerahmten Gemälden vorbei, die Vlad Tepes zeigten, aber auch Christopher Lee und Gary Oldman als Graf Dracula. Nervös wanderte ihr Blick auf die Uhr. Es war noch
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