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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes
Autoren: Ulrike Schweikert
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Sinne verwirrte und seine Seele zum Klingen brachte. Mit einem Stöhnen stieß er zu. Die scharfen Spitzen fuhren tief in ihren Arm, stachen durch Haut und Fleisch und schnitten die pulsierende Lebensader auf. Hell und warm schoss das Blut in seinen Mund. Er stöhnte vor Lust. Welch ein Geschmack, welch ein Duft, welch ein Rausch der Sinne!
    Einen Moment war Sabine wie erstarrt, doch dann schrie sie auf: „Was machst du da? Bist du verrückt? Lass mich los!" Sie zog mit aller Kraft, doch seine Hände waren wie aus Stahl. „Nein!", kreischte sie.
    Als er sie plötzlich freigab, taumelte Sabine ein paar Schritte zurück. Sie presste ihre Hand auf die blutende Wunde und starrte den Vampir aus weit aufgerissenen Augen an.
    „Aber was war das? Ich verstehe nicht."
    Mit einer hastigen Bewegung wischte er sich die dunklen Linsen weg und sah sie aus glühenden Augen an.
    „Weil du dich weigerst, das zu glauben, was alle deine Sinne dir sagen."
    Er hob sie hoch und trug sie zu einer Steinbank. Seine Füße schienen über den Schnee zu schweben, schneller, als ein Mensch oder selbst ein Tier laufen kann. Sanft setzte er sie ab und sah sie eindringlich an.
    „Nun?"
    Ihr Blick wurde trüb.
    „Nein!" Peter von Borgo schüttelte sie grob. „Heute lasse ich es nicht zu, dass du ins Vergessen fliehst. Sieh mich an!"
    „Es gibt keine Vampire", wimmerte sie und schlug die Hände vors Gesicht. „Das sind Märchen und Geschichten. Es gibt keine Untoten, die Blut saugen."
    „Und wie lautet deine Erklärung?", fragte er ruhig.
    „Ich habe keine", schluchzte Sabine. „Ich bin verrückt, wie der Professor es gesagt hat. Ich bin wahnsinnig!"
    „Nein, bist du nicht. Nur weil die Wissenschaft nicht alles weiß und nicht alles beweisen kann, sind die, die das Unglaubliche erfahren, noch lange nicht verrückt. Ich bin 391 Jahre alt. Ich habe den Dreißigjährigen Krieg erlebt, die Französische Bevolution und zwei Weltkriege, ich habe in Wien gelebt, bin durch den Osten und ganz Europa gereist. Jeden Tag, wenn die Sonne aufgeht, lege ich mich an einen dunklen Ort schlafen und erwache, wenn ihre letzten Strahlen erlöschen. Ich war achtunddreißig, als mich ein Untoter zum Vampir machte, und seitdem muss ich jede Nacht auf die Jagd gehen, um meinen Hunger nach Blut zu stillen. Egal, was in der Nacht geschieht, wenn ich nach einem langen Tag erwache, sehe ich wieder so aus wie an jenem Tag, als ich zum letzten Mal die Sonne aufgehen sah."
    Sabine starrte ihn an. Ihre Brust hob und senkte sich mit ihrem keuchenden Atem.
    „Du hast keine kugelsichere Weste getragen." Es war keine Frage, es war die Lösung eines nicht lösbaren Rätsels.
    „Nein, habe ich nicht. Kugeln und Messer können mich nicht töten, nur schwächen, ja fast lähmen, doch wenn ich einen Tag im Dunkeln verbracht habe, bin ich vollständig geheilt."
    „Tötest du jede Nacht einen Menschen?"
    „Nein, anfangs war ich gierig und unbeherrscht. Es war ein Leben im ersten Rausch meiner dunklen Unsterblichkeit, doch heute habe ich gelernt, mich zu zügeln." Er lächelte leicht. „Wie würde mich die Hamburger Kriminalpolizei jagen, wenn ich jede Nacht meinen Weg mit Leichen pflastern würde? Ich trinke das Blut der Menschen, doch ich lasse sie leben. Mehr als eine vorübergehende Schwäche bleibt nicht zurück. Ich habe gelernt, die Gedanken der Menschen zu beherrschen. Sie wissen nicht, dass sie mir je begegnet sind."
    „Kann ich mich deshalb an so viele Dinge nicht mehr erinnern?", fragte sie leise. Er nickte.
    „Sag mir, hast du von mir getrunken?"
    „Nein, obwohl ich seit Wochen nichts sehnlicher begehre."
    „Warum? Ich meine, warum hast du so lange gewartet?"
    Peter von Borgo zögerte, dann erzählte er von Antonia, dem Rausch dieser Nacht und dem Duft, den er unwiederbringlich verloren geglaubt hatte.
    „Ich wollte dich kennenlernen, deine Gedanken und Gefühle studieren und den Augenblick zur Ewigkeit werden lassen, bis zur Erfüllung. Das Blut, das ich Nacht für Nacht sauge, ist mehr Qual denn Lust, zu schnell vergeht der kurze Moment, da mir die Lebenskraft durch die Kehle rinnt. Immer Beherrschung, immer alles unter Kontrolle. Das wilde Tier in mir regt sich. Es schreit nach Lust, nach zügelloser Raserei, nach Ekstase, nach hell sprudelndem Lebenssaft, bis der Herzschlag erlahmt. Dieser köstliche Moment, bevor der Tod alles in die Tiefe reißt!" Erschöpft schwieg er.
    Sabine schluckte. „Du hast gelauert und gewartet, du hast mich gejagt und
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