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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes
Autoren: Ulrike Schweikert
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Hansabrunnen. Im Windschatten des aufragenden Standbildes der Hammonia drängten sich drei Frauen zusammen. Gierig sogen sie den berauschenden Rauch aus den winzigen Pfeifen in ihre Lungen. Peter von Borgo runzelte angewidert die Stirn. Diesen Fehler würde er nicht noch einmal machen. Er konnte es riechen. In ihrem Blut kreisten die Reste eines Cocktails aus Heroin und Kokain, ihre Lungen waren angefüllt vom Rauch der Cracksteine. Die Drogen verliehen dem Blut nicht nur einen unangenehmen Geschmack, sie würden den Vampir in einen gefährlichen Rausch reißen, wenn er von ihm trank. Peter von Borgo bleckte die Zähne. Einmal war er so unvorsichtig gewesen, einen Junkie auszusaugen. Er hatte es bitter bereut. Nein, diesen Fehler würde er nicht noch einmal begehen.
    Der Vampir beobachtete einen Freier, der zu einer Frau in Jeans und Regenjacke trat. Sie verhandelten hart. Immer wieder redete er auf sie ein, doch sie schüttelte den Kopf. Dann zog er einen Zwanziger raus und drückte den Schein in ihre Hand. Noch immer zögerte sie, doch dann folgte sie dem Mittfünfziger zu seinem BMW. Das gelbliche Licht der Straßenlaterne huschte über ein müdes Gesicht mit dick kajalumrandeten Augen.
    Nein, ihm stand heute der Sinn nicht nach einem schnellen Mahl in einem schmutzigen Hinterhof, nicht nach ranzigem Schweiß und billigem Duftwasser. Er begehrte etwas ganz anderes. Mit einem Seuizer wischte er die Erinnerung an ihren unwiderstehlichen Duft beiseite und versuchte das Bild der blonden Kommissarin aus seinem Kopf zu verbannen. Der Tag war noch nicht gekommen. Und doch huschte die Ahnung von weichen Laken und seidigen Gewändern durch seinen Sinn, von fließendem Stoff, der weiche, weiße Haut mehr enthüllt denn bedeckt, von feinen bläulichen Bahnen, in denen der köstlich rote Saft pulsierend fließt.
    „Sabine, du wirst mein sein", flüsterte er. Der Schmerz in seiner Kehle breitete sich aus und erfasste bald den ganzen Körper, dass es ihn wie vor Kälte schüttelte. Er musste sich ablenken.
    „Ronja", lag ihm da plötzlich ein Name auf den Lippen. Ja, vielleicht konnte ihr süßes Blut auf seinen Lippen den Drang der Sehnsucht ein wenig lindern.
    Die Ärmel ihres Sweatshirts hochgeschoben, den Staubsauger in der Hand, fegte Sabine Berner durch die Wohnung. Die dröhnende Stimme von Meat Loaf übertönte das Klingeln an der Tür. Als sie schwungvoll mit dem Sauger in den Flur einbog, schwang die Wohnungstür auf und ließ zuerst einen wild kläffenden Setter herein, dann ein blondes Mädchen mit wirrem, langem Haar und einen in weißem Hemd und dunkelgrauem Anzug korrekt gekleideten Herrn mit einem Koffer in der einen und einem bunten Kinderrucksack in der anderen Hand. Sabine brachte den Staubsauger zum Schweigen, sank in die Knie, schlang einen Arm um ihre Tochter und versuchte mit dem anderen, den Setter davon abzuhalten, ihr mit der Zunge über das Gesicht zu fahren. Auf dem Treppenabsatz draußen stand verlegen ein junger Mann in verwaschenem Trainingsanzug mit einem Schlüsselbund in der Hand.
    „Sony, Sabine, ich habe aufgeschlossen, weil du nichts gehört hast und ich dachte, das geht in Ordnung. Ich wollte gerade noch 'ne Runde joggen gehn, weil mir die nächste Szene noch nicht so gefällt, und da dachte ich, mir kommt ein guter Gedanke, wenn ich mich bewege."
    Sabine hob eine Hand, um die Rechtfertigungen ihres Nachbarn zu beenden. „Ist gut, Lars, ich danke dir."
    „Da nicht für", rief er, winkte und rannte dann die Treppe hinunter.
    „Was ist das denn für ein komischer Vogel?", fragte Jens Thorne mit erhobener Stimme, um das Gewinsel des Hundes zu übertönen, der nun enge Kreise um Sabine und Julia zog.
    „Platz, Leila, Platz!" Sabine schob die Wohnungstür zu. „Das war Lars Hansen von nebenan, und er ist Schriftsteller. Immer wenn ihm nichts mehr einfällt, dann geht er joggen. Aber sonst ist er ganz normal", fügte sie hinzu, während sie den Staubsauger in den Schrank am Ende des Flurs presste.
    Jens Thorne, der Hamburger Staranwalt, ließ seinen Blick vom eilig zusammengebundenen Pferdeschwanz über das ungeschminkte Gesicht seiner Exfrau, das ausgeblichene graue Sweatshirt und die Jeans bis hinunter zu den dicken Wollsocken wandern. Seine Augenbrauen näherten sich einander, und eine steile Falte erschien auf seiner Stirn. Von unten erklang ein Saxofon, dann jazzige Klavierklänge.
    „Musiker!", erklärte Sabine und schob Exmann und Kind ins Wohnzimmer. Jens Thorne ließ sich in den
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